WILLIAM STANLEY, 6th EARL OF DERBY (1561-1642)

Die These, William Stanley sei der Verfasser der Shakespearschen Werke, wurde in Buchlänge (2 Bände) - drei Artikel dazu waren schon 1891-2 erschienen - zum ersten Mal von französischen Literaturhistoriker und Rabelais-Kenner Abel Lefranc (Sous le masque de »William Shakespeare«, Paris, 1919) aufgestellt. Lefranc begründete seine These hauptsächlich mit dem Stück Love's Labour's Lost. Der Verfasser müsse Intimkenntnisse des französischen Hofes und des Hofes von Heinrich von Navarra in Nérac gehabt haben. Ein Beleg dafür, dass Derby wirklich in Nérac am Hofe Navarras gewesen ist, existiert nicht, aber die Annahme ist zumindest plausibel, denn Derby bereiste etwa fünf Jahre lang, von 1582-1587, den Kontinent.

Allerdings spielt Shakespeares Stück auf Ereignisse in Frankreich an, die in der zweiten Hälfte der 1570er Jahre stattfanden, etwa den Tod durch Liebeskummer im belgischen Lüttich der Hélène de Tournon im Jahr 1577, worüber Marguerite de Valois berichtet (Mémoires de Marguerite de Valois, Toulouse, 1994, S. 98 ff.). Die Mémoiren wurden jedoch erst 1628 gedruckt. Es ist aber keineswegs unwahrscheinlich, dass die Mémoiren oder Teile davon in Manuskript kursierten, auch am englischen Hof oder in englischen Adelskreisen. Auch aus anderen Gründen spricht Love's Labour's Lost nicht so eindeutig für Derby, wie es Lefranc glaubte.

Dass der 6. Earl of Derby wie sein Vater Henry, der 4. Earl, und sein älterer Bruder Ferdinando, besser bekannt als Lord Strange, da er nur kurze Zeit 5. Earl of Derby war (er starb 1594 ohne männlichen Erben) ein eigenes Ensemble unterhielt, ist bekannt. Dass er selber Theaterstücke schrieb, ist belegt, wenn auch, wie Andrew Gurr nachweist, für das Kinderensemble der Paul's Boys zwischen 1599 und 1606. „My Lord Darby hath put up the playes of the children in Pawles to his great paines and charge." (Historical Manuscripts Commission, Report on the manuscripts of Lord de L'Isle and Dudley, ed. C. I. Kingsford, 6 vols; London 1926-66, ii.415; zitiert nach Andrew Gurr, The Shakespearian Playing Companies, Oxford, 1996, S. 339). Er wäre sicher ein Kandidat für die Verfasserschaft einiger anonymer Stücke, etwa The Wisdom of Doctor Doddypoll, das an gewissen vereinzelten Stellen an Shakespeares Midsummernight's Dream und Merry Wives of Windsor erinnert. Diese Assoziation bleibt vage und interessiert auch nicht eigentlich im Rahmen der Frage nach der Verfasserschaft von Shakespeares Werken.

Aber gegen Derby spricht natürlich mächtig, dass er erst 1642 starb, 19 Jahre nach dem Erscheinen des First Folio.

© Robert Detobel 2011