DER DRUCKER JAMES ROBERTS UND SHAKESPEARE

Das Jahr 1604 

Die folgenden Tabellen (siehe unten) sind auf der Grundlage von Edward Arbers Transkription der Register der Stationers' Company erstellt. Die eine Tabelle zeigt die von James Roberts während seiner Druckerkarriere gedruckten Werke. Diese Karriere beginnt erst 1593, als Roberts bereits 53 Jahre alt war und die Witwe des Druckers John Charlewood heiratete. Druckerwitwen waren begehrt. Richard Field, der Drucker von Venus and Adonis und The Rape of Lucrece erwarb die Druckerlizenz durch die Heirat mit der Witwe des Druckers Thomas Vautrollier. Die Anzahl in Londoner zugelassener Drucker wurde von den Behörden begrenzt. Für die Lizenzgewährung war der Erzbischof von Canterbury zuständig, es sei denn sie wurde von

 1.  Vater auf Sohn vererbt;
 2.  durch die Heirat mit der Witwe eines verstorbenen Druckers erworben, wie von Richard Field und James Roberts;
 3.  durch die Übernahme eines von einem anderen Drucker aufgegebenen Geschäfts,wie 1608 William Jaggard von James Roberts.

Die Tabellen vermitteln eine Erkenntnis, die den Shakespeareforschern bisher entgangen zu sein scheint: die Rolle des James Roberts bei der Veröffentlichung von Shakespeares Bühnenstücken zwischen 1598 und 1604

Es ist nicht die Bedeutung an sich von James Roberts, der sich die Shakespeareforschung verschlossen hätte.  A. W. Pollard hat in seinem Aufsatz über Shakespeare und Raubdrucke darauf hingewiesen und die Theorie entwickelt, Roberts, der neben seiner gewöhnlichen Druckertätigkeit auch zwei ertragreiche Privilegien besaß: der Druck von Kalendern mit allerlei Voraussagen über künftige Ereignisse („prognostications") und der Druck der Theaterplakate, hätte als Beauftragter der Chamberlain's Men gehandelt; er hätte ihre Stücke bei der Stationers' Company angemeldet, deren Druck jedoch hinausgezögert und sie auf diese Weise gegen vorzeitigen Raubdruck abgesichert. Pollard prägte den Begriff „conditional blocking entries". Darunter fasst er allerdings die verschiedensten Vorgänge. Für eine detaillierte Kritik der Weise, wie Pollard diesen Begriff handhabt, siehe:
http://www.elizabethanauthors.com/Part-1-Ch2.pdf

In Some Aspects and Problems of London Publishing between 1550 and 1650 (Oxford: At the Clarendon Press, 1956, S. 120-1) zieht Walter W. Greg Bilanz:

"It cannot be said that, taken individually, there is much in the form of Roberts's registrations to suggest that they are 'blocking entries', and the critics of Pollard's theory have perhaps had the best of it."

"Man kann nicht behaupten, dass, einzeln betrachtet, die Form von Roberts' Registrationen dazu angetan ist, sie als ‚Sperreinträge' aufzufassen, und Pollards Kritiker haben vielleicht recht."

Aber dann sagt Greg gleichsam „Ist da nicht doch noch etwas?" „Ist jetzt wirklich alles gesagt?".  Nein, deutet Greg an, in der langen Frist würde man vielleicht erkennen müssen, dass Alfred W. Pollard etwas Wichtiges geahnt hat, als er die Rolle des James Roberts hervorhob.

"But when we look at the situation as a whole we get a somewhat different impression. Let me repeat. Here we have a man, known to have been in touch with the players, but who never before or after concerned himself with dramatic copy, making, over a period of five years, five entrances of plays belonging to one particular company."

"Doch wenn wir auf die Situation insgesamt blicken, erhalten wir einen etwas anderen Eindruck. Ich wiederhole. Hier haben wir einen Mann, von dem wir wissen, dass er mit den Schauspielern in Verbindung stand [durch das Drucken der Theaterplakate], aber davor niemals mit Texten von Theaterstücken zu tun hatte, nunmehr aber über einen Zeitraum von fünf Jahren fünf Stücke registrieren lässt, die ein und demselben Schauspielerensemble gehören."

Genau genommen muss man von 9 Stücken sprechen, denn die vier Stücke, die am 4. August 1600 storniert wurden, gehörten auch zum Repertoire der Chamberlain's Men:

As You Like It,
Henry V,
Much Ado about Nothing und
Ben Jonsons Every Man in His Humour

wurden zunächst auch von James Roberts zum Druck angemeldet. Die anderen 5 Stücke sind:  

An Alarum for London (anonym),
A Moral of Cloth Breeches and Velvet Hose (verschollen)

und Shakespeares

The Merchant of Venice,
Hamlet
Troilus and Cressida.

Das erste Stück wird erst 2 Jahre später erscheinen, jedoch von Roberts weder verlegt noch gedruckt. Ob das zweite Stück je gedruckt wurde, wissen wir nicht.  The Merchant of Venice und Hamlet werden von Roberts gedruckt, Verleger für Hamlet ist in der zweiten Hälfte des Jahres 1604 sein regelmäßiger Partner Nicholas Ling

Dass da noch etwas ist, hätten eigentlich auch Walter W. Greg und Alfred W. Pollard sehen müssen, wenn sie sich die Frage gestellt hätten, wieso James Roberts nur die beiden Shakespeare-Stücke druckt. Und warum wartet er für Hamlet bis zur zweiten Hälfte des Jahres 1604? Dass er bis zur zweiten Hälfte dieses Jahres wartete, kann man daraus schließen, dass einige Exemplare die Jahreszahl 1605 aufweisen. Warum, warum? Und ist da nicht doch noch was?

Ein Blick auf die Tabellen dürfte darauf plastisch die Antwort geben. Zwischen 1600 und 1604 druckt Roberts nur noch Shakespeare und nichts anderes mehr. Sicher, er druckt noch die Anthologie England's Helicon und Samuel Harsnetts  Declaration of Egregious Popish Impostures. Doch auch diese sind nicht völlig ohne Bezug zu Shakespeare (1).  

Und nach 1604

Roberts bleibt (wahrscheinlich) noch bis 1608 im Geschäft. Sein letzter Eintrag datiert aus dem Jahr 1606. Aber weder mit Bühnenstücken noch mit Shakespeare hat er noch etwas zu tun. Der Druck von Hamlet in der zweiten Jahreshälfte 1604 war sein letzter Dienst an Shakespeare... in den Monaten nach Edward de Veres Tod.

So erfüllt sich denn Gregs Prophezeiung: Als Ganzes gesehen könnte Pollard mit seiner Betonung der besonderen Rolle des James Roberts in der langen Frist Recht behalten. Hat er wohl. Nur anders, als er selber dachte oder denken wollte. Denn das Ganze sah auch Greg nicht ganz. Er unterließ es, sich Roberts' Druckertätigkeit zwischen 1600 und 1604 anzuschauen. In der Tabelle sieht man das ganze Ganze auf den ersten Blick.

(1) Die Beziehung zu der Anthologie ist signifikant, denn in ihr werden einige Gedichte, die William Jaggard 1599 in The Passionate Pilgrim Shakespeare zugewiesen hatte, teils einem Unbekannten („Ignoto"), teils Marlowe zugewiesen; außerdem wird eine von Jaggard abgedruckte unauthentische Fassung verbessert. Die Beziehung von Harsnetts Pamphlet zu King Lear ist von der Forschung unterstrichen worden.

Tabelle I:  VON JAMES ROBERTS GEDRUCKTE WERKE

Tabelle 2:  VON JAMES ROBERTS REGISTRIERTE WERKE

Vom 1570 an trägt Roberts einige Balladen ein. Dann sind von ihm keine Eintragungen mehr zu verzeichnen, bis er 1593/4 die Witwe des Druckers John Charlewood heiratet. Durch diese Heirat wird er als Drucker zugelassen. Von da an beschränkt er sich weitgehend auf das Drucken und überlässt anderen die Verlegung.

© Robert Detobel