SHAKESPEARES NAMENSGEBUNG - DIE MUTTER

Sowohl in der ursprünglichen Quelle des Saxo Grammaticus als in der französischen Nacherzählung des François de Belleforest, die der dänischen Sage kaum etwas Neues hinzufügt, heißt die Mutter des Amlethus Gerutha; bei Shakespeare heißt sie Gertrud. Ist „Gertrud" einfach die Anpassung an einen englischen Ohren vertrauter klingenden Namen? Wer die Bedeutung, die Namen, zumal in Hamlet, bei Shakespeare haben, betrachtet, wird sich mit dieser Erklärung wohl kaum zufrieden geben können.

In Shakespeares Stück stellen wir nun fest, dass sich die Rolle der Königin nach Aufführung des Stückes „Die Mausefalle" ändert. Zwar bleibt sie an Claudius' Seite, aber nach dem Wortgefecht in III.4 sind sie und Hamlet versöhnt. Hamlet offenbart ihr sogar, dass seine Verrücktheit nur vorgetäuscht ist. Die Königin verspricht, das Geheimnis zu wahren: „Sei du gewiß: wenn Worte Atem sind, / Und Atem Leben ist, hab ich kein Leben, / Das auszuatmen, was du mir gesagt."

Während in der ersten Hälfte des Stückes, Gertrud von Hamlet negativ gesehen wird, „Zwei Mond erst tot! - nein, nicht so viel, nicht zwei; ...Schwachheit, dein Nam ist Weib!" (I.2),  sie ihm als böse und bedrohliche Mutter erscheint, wechselt sie nach der sogenannten Schlafzimmerszene durch ihr Versprechen, das Geheimnis zu wahren, in die Rolle der guten und schützenden Mutter.

In der Amlethus-Sage lässt sich nun eine Parallele nachweisen. Zu keiner Zeit wird Königin Gerutha zur schützenden Mutter. Als aber Amlethus seinen Onkel Fengo getötet hat, trifft er auf eine Frau, die sich ihrer Stärke rühmt und ihn zu schützen verspricht. Ihr Name ist Hermatruda.

Zieht man die Namen Ger(utha) und (Herma)truda zusammen, vereint in einem Namen die böse bedrohliche und die gute schützende Mutter, ergibt sich der Name Gertrud.

 © Robert Detobel 2010