SIR EDWARD DYER (1543-1607)

Sir Edward Dyer war ein Dichter, Freund von Philip Sidney und Edmund Spenser. Es ist nicht bekannt, ob er je mit dem Theater etwas zu tun hatte. Aber als Verfasser der Sonnets und von Venus and Adonis und The Rape of Lucrece scheint einiges für ihn zu sprechen.

Als Verfasser der Sonette nur die Zeilen 6-7 in Sonett 111:

            And almost thence my nature is subdu'd
            To what it works in, like the dyer's hand.
            Und fast herabgezerrt wird so mein Wesen
            Zu meinem Wirken, wie des Färbers Hand (Übersetzung Ludwig Fulda, 1913).

Welch andere Arbeit als die des Färbers hätte noch auf die Hand abfärben können? Die des Köhlers, des „collier"? Wäre das Wort kursiv oder in einer anderen Schrifttype gesetzt worden, man hätte sich darüber Gedanken machen müssen. Wie übrigens in einem Gedicht Edward Dyers: „DY ERE thou let his name be known".

Das andere Argument für Dyer stützt sich auf Randnotizen des Gelehrten Gabriel Harvey in seinem Exemplar einer Chaucer-Ausgabe:

"The younger sort takes much delight in Shakespeares Venus & Adonis: but his Lucrece, & his tragedie of Hamlet, Prince of Denmarke, have it in them, to please the wiser sort. Or such poets: or better: or none.

            Vilia miretur vulgus: mihi flavus Apollo
            Pocula Castaliae plena ministret aquae:

quoth Sir Edward Dier, betwene iest, & earnest. Whose written devises farr excell most of the sonets and cantos in print."

Die Jugend fühle sich von Shakespeares Venus und Adonis angezogen, aber Lukrezia und seine Tragödie Hamlet haben es in sich, der reiferen Generation zu gefallen. Das lateinische Zitat ist das Motto von Shakespeares Venus und Adonis. Es ist ein Zitat aus der fünfzehnten Elegie im ersten Buch von Ovids Amores. Es ist das Gedicht, in dem sich Ovid zu seiner Dichterberufung bekannt. Ben Jonson lässt es Ovid in seiner Komödie Poetaster vortragen. Das Gedicht und seine Bedeutung dürften wohl jedem klassisch Gebildeten auch ohne Shakespeare geläufig gewesen sein. Sir Edward Dyer soll es halb im Ernst, halb im Scherz auf sich angewendet haben. Diese Marginalie steht nun doch zu vereinzelt dar und die Sätze dürften zu bekannt gewesen sein, dass man daraus ein überzeugendes Argument für die Verfasserschaft Edward Dyers von Venus and Adonis konstruieren könnte.

© Robert Detobel 2011