FRANCIS BACON (1561-1626)

Sigmund Freud hat Bacons Kandidatur mit der Begründung abgelehnt, ein menschliches Wesen mit dem Genie Bacons und dazu dem Genie Shakespeares sei nicht denkbar. Kehrt man den Satz um, erhält man ungefähr den Grundsatz gewisser Baconianer: Zwei Genies wie Bacon und Shakespeare können nicht zu gleicher Zeit existiert haben. Also ist Bacon Shakespeare.

Wann die Frage nach der Verfasserschaft und Bacons Kandidatur zum ersten Mal aufgeworfen wurde, ist schwer zu sagen. Bis vor kurzem galt es als sicher, dass der Geistliche James Wilmot (1726-1808) der erste Vertreter der Bacon-These gewesen sei. Er habe seine Gedanken nie veröffentlicht, sie jedoch mündlich jemand anderen anvertraut. Dieser andere war ein Mann namens James Cowell aus Ipswich, der sie 1805 der Philosophical Society von Ipswich vortrug. Sie gerieten in Vergessenheit, um 1932 in dem Nachlass des bekanntesten Baconianers seiner Zeit, Sir Edwin Durning-Lawrence, achtzehn Jahre nach dessen Tod wieder aufzutauchen. Warum Durning-Lawrence selber von diesem Dokument nie Gebrauch gemacht hatte, wurde nicht gefragt. Vor etwa zehn Jahren begann sich Dr. John Rollett aus Ipswich für die Sache zu interessieren. Er musste zu seinem Erstaunen feststellen, dass die Philosophical Society von Ipswich und auch der Name Cowell in Ipswich zur betreffenden Zeit nicht nachzuweisen ist. Dr. Rollett fasste daher den Verdacht, es könnte sich um eine Fälschung eines Baconianers handeln. Er teilte seine Beobachtungen Dr. Daniel Wright mit, der darüber einen Artikel schrieb. James Shapiro erwähnt es ebenfalls in seinem Buch Contested Will, verweist in einem „bibliographischen Essay" auch vage auf Wrights Artikel, erwähnt jedoch mit keinem Wort den Urheber Dr. Rollett und sugggeriert damit unverfroren, dies sei recht eigentlich seine Entdeckung.

Dass Bacon als erster Kandidat genannt wurde, war fast logisch, als nach den frenetischen Forschungsaktivitäten zur Ermittlung biografischer Informationen über den Mann von Stratford Mitte des 19. Jahrhunderts einige der Ergebnisse vorlagen. Diese Ergebnisse hätten eigentlich auch diejenigen, die oft genug bei völliger Ignoranz der Dokumente und daher umso emphatischer, um nicht zu sagen: pathetischer an seiner Verfasserschaft festhielten, überzeugen müssen, dass es doch Gründe gab zu zweifeln. Hier der belesene Italienreisende, dort der Händler aus Stratford mit der wackeligen Unterschrift, der seinen beiden Töchtern nicht ein Körnchen Bildung ermöglichte, und in Stratford wacker Geschäfte abschloss.

Über die zahlreichen Versuche der Baconianer, verschlüsselte Botschaften in Shakespeares Werk zu entdecken, die Bacon als den Verfasser beweisen würden, kann man sich hinwegsetzen - sie sind sustanzlos.

Außerdem sprach  auch viel gegen die Bacon-These. In erster Linie das Verdikt James Speddings, des Herausgebers von Bacons Gesamtwerk, Stil und Denkweise Bacons und Shakespeares lägen so weit auseinander, dass, wer auch immer Shakespeares Werk geschrieben haben möge, einer als Kandidat mit Sicherheit ausscheide, nämlich Francis Bacon.

Noch ein anderer gravierender Umstand spricht gegen Bacon. Als die Folio-Ausgabe mit den 36 Shakespeare zugeschriebenen Stücken 1623 erschien, war der Verfasser gestorben (eine Feststellung, die man schon 1609 für die Herausgabe der Sonette treffen kann). Bacon starb 1626. Man müsste dann annehmen, dass die Herausgeber des First Folio und Bacon selbst in vertuschender Absicht den Autor für tot erklärt hätten. Auch die im Vorwort zum First Folio zu findende Angabe, der Autor sei durch den Tod seines Rechtes beraubt worden, die Herausgabe seiner Werke zu überwachen, wäre dann als Lüge zu bezeichnen.

© Robert Detobel 2011