Teil III

Sehen wir uns nun drei Einträge in das Stationers' Register an. Ich könnte andere Beispiele wählen, dann würde alles noch länger. Ich wähle also 3 Stücke Shakespeares. Zunächst Hamlet:

12 July 1602

James Robertes. Entred for his Copie under the handes of master PASFEILD and master waterson warden A booke called 'the Revenge of HAMLETT Prince Denmarke' as yt was latelie Acted by the Lord Chamberleyne his servantes

Das bedeutet: der Drucker James Roberts hat das Stück der bischöflichen Zensur vorgelegt. Ein Zensor namens Passfield (sein Vorname ist Zachariah, er war ein Diakon der St. Paul Kirche) hat abgezeichnet („hand of Master Passfield). Der Warden Simon Waterson (er war „under warden") hat ebenfalls abgezeichnet und Roberts, und kein anderer) besitzt das Recht zu drucken. Er wird es erst Ende 1604, mehr als 2 Jahre später, drucken für den Verleger Nicholas Ling, in vielen Fällen sein Partner. Roberts hat in der Zwischenzeit das Verlagsrecht Ling übertragen. 1603 aber kommt Hamlet in einer schlechten Fassung heraus. Verleger sind John Trundle und Nicholas Ling, der Drucker ist NICHT Roberts. Und dies obwohl Ling das Verlagsrecht besitzt. Paragraph 5 einer Verordnung der Druckergilde kommt zur Anwendung. Roberts bzw. Ling haben zu lange gewartet. John Trundle hat ein Manuskript (fest mit Sicherheit ein Theatermanuskript aufgetrieben. Ling hat nur 2 Möglichkeiten: entweder er lehnt die Publikation ab, Trundle verlegt alleine und Ling erhält einen Anteil an den Einnahmen; der Anteil wird durch die Wardens festgesetzt. Oder Ling gibt nach und teilt sich die Einnahmen mit Trundle.
Troilus and Cressida:

7 February 1603

master Robertes Entred for his copie in full Court holden this day to print when he hath gotten sufficient aucthority for yt, The booke of 'TROILUS and CRESSEDA' as yt is acted by my lord Chamberlens Men.

Was ist geschehen? Die Court of Assistants hält gerade eine Sitzung ab (amtierende und ehemalige Wardens waren automatisch Mitglied des Court of Assistants), zeichnet es ab und Roberts hat das Verlagsrecht. Aber es wird verlangt, dass er „ausreichende Autorität" einholt. Diese Autorität ist stets die Autorität eines bischöflichen Zensors. Man könnte fragen, was passiert wäre, wenn Roberts das Stück vorher einem Zensor vorgelegt und die Lizenz, das Imprimatur erhalten hätte. Der Satz „when he hath gotten sufficient aucthority for yt" wäre entfallen. Man könnte fragen, was passiert wäre, wenn Roberts im Falle von Hamlet nicht vorher der Zensur vorgelegt hätte. Zwei Möglichkeiten gab es. Die Wardens konnten entscheiden, dass dies im Falle von Hamlet nicht nötig sei. Das durften sie, sie eigneten sich durch eine solche Entscheidung gewissermaßen die Befugnis eines Zensors an. Oder sie konnten entscheiden, dass er erst das Imprimatur einholen soll. Dann hätten wir im Eintrag auch sowas gelesen wie „when he hath gotten sufficient aucthority for yt" (das Adjektiv könnte auch „better", „lawful" oder ein ähnliches gewesen sein).

Was hatte Roberts im Falle von Troilus und Cressida zu tun? Er musste es dem Zensor vorlegen. Dann sich zur Stationers' Company begeben und die Unterschrift des Zensors zu zeigen. Aber sein Verlagsrecht blieb von der fehlenden Genehmigung eines Zensors unberührt. Die „hand" des Zensors und die „hand" des Wardens beziehen sich auf ganz verschiedene Lizenzierungen. Durch die erstere wurde das Imprimatur erhalten, durch letztere das Verlagsrecht.

Und noch etwas ist wichtig. Die „sufficient authority" nennt keine Person. Wie konnten die Wardens auch wissen, welcher Zensor überprüfen würde? Diese „sufficient authority" ist eine unbestimmt.

Nun der Eintrag von The Merchan of Venice:

xxijo Iulij [1598]

Iames Robertes./
Entred for his copie under the handes of bothe the wardens, a booke of the Marchaunt of Venyce or otherwise called the Iewe of Venyce./ Provided that yt bee not printed by the said Iames Robertes; or anye other whatsoever wthout lycence first had from the Right honorable the lord Chamberlen ................ vjd

E.K. Chambers schreibt: "This entry is conditional in form, but it differs from the normal conditional entries in that the requirement specified is not an indefinite ‘aucthoritie' but a ‘lycence from the right honorable the lord chamberlen'. In der Tat, hätten die Wardens verlangt, dass Roberts zuerst der Zensur vorlegt, hätte da gestanden: "provided he can get sufficient aucthority for yt". Der Eintrag ist wirklich einmalig. Der Lord Chamberlain kam vor 1607 überhaupt nicht in Frage als zensierende Instanz. Es muss also eine andere Autorität gewesen sein, von der die „license" oder „permission" zu erhalten sei.

Aber das ist, hoffe ich, unter „Tatwaffe" ausreichend erklärt worden. Es war die Genehmigung des Autors, die, wenn sie austand, die Anwendung des Paragraphen 5 der Verordnung vom Frühjahr 1588 verhinderte.

Es deutet auch alles auf eine „Beratung" zwischen den beiden Wardens und James Roberts darüber hin, wie auf alle Fälle eine Drucklegung zu verhindern sei. Denn wenn im Eintrag nur ein Titel, The Merchant of Venice, genannt worden wäre, hätte es passieren können, dass jemand es als The Jew of Venice zum Druck anmeldete und die Wardens es in den Jahren danach nicht gemerkt hätten. Das war 1594/95 mit einem Werk Philip Sidneys geschehen. Der Under Warden, dem das Missgeschick unterlief, war Isaac Bing. Am 22. Juli 1598 war er Upper Warden. Das Opfer war William Ponsony. Der war am 22. Juli 1598 Under Warden.

Es bedarf viel Zeit und Geduld, das alles herauszufinden. Aber damit ist ein Problem erklärt, das niemand vorher hat lösen können. Und nebenbei kennen wir doch auch den Verfasser des Merchant of Venice. Amtlich nachgewiesen, wie es im Focus-Artikel vom August 2000 - richtig - heißt.

© R. Detobel

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