Die Londoner Theater in Shakespeares Zeit

Quellen:  1.)  E.K. Chambers, The Elizabethan Stage, Vol. I, Oxford: At the Clarendon Press, 1923. 2) Andrew Gurr, The Shakespearian Playing Companies, Oxford: At the Clarendon Press, 1996.

DIE ÖFFENTLICHEN BÜHNEN ("PUBLIC THEATRE")

Siehe: Tabelle - Die öffentlichen Bühnen

vergl. auch: Stadtplan von London um 1600

Erklärung:

Bis 1594 hatte kein Ensemble erwachsener Schauspieler ein eigenes Theater, eine Vorstellung, an die sich ein moderner Betrachter vermutlich erst gewöhnen muss. Wenn zum Beispiel Gabriel Harvey 1579 (in seinem Letter-Book) schreibt:

„I suppose thou wilt go nigh hand shortly to send my Lord of Leicester's, my Lord of Warwick's, Vaux's, or my Lord Rich's players, or some other fresh startup comedians unto me for some new devised interlude, or some malconceived comedy fit for the Theatre:" (S. 67)

[Ich vermute,  dass es nicht mehr allzu lange dauern wird, dass Du mir die Schauspieler von Lord Leicester, Lord Warwick, Vaux oder Lord Rich schicken wirst, damit ich irgendein neues Interludium oder irgendeine  missratene Komödie verfasse, die sich zur Aufführung in The Theatre eignet."],

so bedeutet dies nicht, dass eine dieser Schauspieltruppen fest mit The Theatre (1576 eröffnet) oder mit einer anderen Aufführungsstätte verbunden gewesen wäre. Eine Schauspieltruppe konnte vor 1594 zwischen wechselnden Aufführungsorten auswählen: Philip Henslowes The Rose oder Newington Butts, James Burbages The Theater oder John Lanehams direkt danebenliegender The Curtain, oder irgendein Wirtshaus („Inn").

Deshalb sind vor 1594 keine Ensembles in die Tabelle eingetragen.

1594 verfügte der Privy Council (Kronrat oder Geheimrat), dass es nur zwei Ensembles gestattet sein wird, an einem festen Aufführungsort in London Stücke aufzuführen: die Admiral's Men in The Rose und die Chamberlain's Men in The Theatre. Als Gegenleistung für die theaterfeindlichen Behörden der City wurde zugleich bestimmt, dass es ab 1595 keinem Erwachsenenensemble noch erlaubt ist, innerhalb der City in einem Wirtshaus zu spielen (die Children of Paul's, das  einzige zu diesem Zeitpunkt noch bestehende Kinderensemble, betraf dieses Verbot nicht).1600 wurde das Dekret für diese beiden Ensembles erneuert, diesmal für die neu gebauten Schauspielhäuser The Fortune (Admiral's Men) und The Globe (Chamberlain's Men).

In and about London,  liberties,

 „In and about London" war eine häufig verwendete Adverbialbestimmung in amtlichen Texten.

Bei weitem die meisten Theater befanden sich „about" London: The Theatre, The Curtain, The FortuneThe Red Bull in der an London angrenzenden County of Middlesex, damals eine selbständige Grafschaft, die somit nicht der Gerichtsbarkeit der theaterfeindlichen Behörden der City unterstand. The Rose, The Globe, The Swan, The Hope am Südufer der Themse in Southwark, das ebenfalls nicht der Gerichtsbarkeit der City unterstand.

Nur eine Minderheit der Aufführungsstätten befand sich an Orten innerhalb der City: Bel Savage Inn, The Bull Inn,  The Bell Inn und Cross Keys Inn. An letzterer Stätte hat Shakespeares Ensemble vermutlich im Winter 1594/95 gespielt. Am 8. Oktober 1594 - nachdem per Verfügung des Kronrats („Privy council") den Chamberlain's Men das Theatre und den Admiral's Men The Rose als feste Stätte zugewiesen worden waren, bei gleichzeitigem Verbot, in den Wirtshäusern („Inns") innerhalb der City Schauspiele (was nicht nur Bühnenstücke, sondern auch andere Formen der Unterhaltung umfasste) zu veranstalten -  suchte der Schirmherr des Ensembles, Henry Carey, Baron of Hunsdon und Lord Chamberlain, bei den Londoner Behörden um eine Genehmigung für seine Truppe nach, dort in der Wintersaison spielen zu dürfen. Im Cross Keys Inn muss demnach eine überdachte Halle zur Verfügung gestanden haben, was auch durch einen Brief des Lord Mayor an Lord Burghley belegt wird, in dem er sich beschwert, dass das Ensemble des Lord Strange trotz Verbot dort in der Winterzeit am 5. November 1589 gespielt hat. (Chambers, The Elizabethan Stage, Oxford 1924, Vol. I, S. 383). The Rose muss ebenfalls mindestens teilweise überdacht gewesen sein, denn aus den Aufzeichnungen des Theatermanagers Philip Henslowe wissen wir, dass im Winter gespielt wurde. Aber das Theatre (und später auch The Globe) war ein Freilufttheater.

Selbst innerhalb der City galt deren Gerichtsbarkeit nicht uneingeschränkt. Innerhalb Londons bestanden Enklaven, sogenannte „liberties", was man wohl am besten als „Freibezirke" übersetzt, mit eigener Gerichtsbarkeit. In zwei derartigen Bezirken befanden sich ebenfalls Theater, im Blackfriars- und im Whitefriars-Bezirk. Wegen ihrer schwarzen Kutte wurden die Dominikaner „Blackfriars" genannt, die Karmeliter ensprechend Whitefriars. Auch nach der Auflösung der Klöster (1538-1541) unter Heinrich VIII. behielten diese Bezirke (nicht nur diese beiden) ihren Sonderstatus. Im Blackfriars-Theater spielte von 1583-84 und danach wieder von 1600-1608 ein Kinderensemble, im Whitefriars ab 1608 ebenfalls. Bis 1608 fallen „Kinderensemble" und „privates" Theater zusammen; nicht mehr jedoch ab 1608, als das Ensemble der King's Men, vormals Chamberlain's Men, das Blackfriars bezieht (ein erster Versuch des Theatermanagers James Burbage, des Vater des berühmten Schauspielers Richard, dort ein öffentliches Theater einzurichten, war 1596 am Einspruch der Bewohner gescheitert).

DIE „PRIVATEN" BÜHNEN

Theateraufführungen fanden auch im privaten Kreis unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, auf privaten Bühnen also. Diese sind jedoch nicht gemeint, wenn von den „private theatres" die Rede ist, denn auch diese waren kommerziell und öffentlich, wenn auch nicht zugänglich für eine breite Öffentlichkeit. Der Ausdruck „private theatre" findet sich nach Andrew Gurr zuerst 1599, als sich das Kinderensemble der Paul's Boys, das 1589 aufgelöst worden war, neu gründete. Gurr glaubt, dass sich das Ensemble das Prädikat „privat" zulegte, um sich zum einen der Kontrolle des Master of the Revels zu entziehen, zum anderen das seit 1594 für alle Theaterensembles mit Ausnahme der Admiral's Men und der Chamberlain's Men geltende Verbot zu umgehen, innerhalb der City, nämlich in der Nähe der Sankt-Paul-Kathedrale, Schauspiele aufzuführen. Für die Blackfriars Boys, ein anderes Kinderensemble, das 1584 aufgelöst worden war und sich ein Jahr nach dem Neuanfang der Children of Paul's 1600, neu formierte, galt dieses Verbot nicht, weil sich die Londoner Gerichtsbarkeit nicht auf das Blackfriars-Viertel erstreckte.

Es ist sinnvoll, den Abschnitt über das private Theater in drei Teilabschnitte zu gliedern:

  • 1. Die Kinderensembles vor 1589;
  • 2. Kinderensembles nach 1599;
  • 3. Erwachsenenensembles nach 1608.

 1. Kinderensembles vor 1589

Die Kinderensembles entwickelten sich aus den „grammar schools" sowie aus den Knabenchören der Sankt-Pauls-Kathedrale und der königlichen Kapellen (Chapel Royal in London und Windsor Chapel). Das Theaterspiel wurde als ein wichtiges Werkzeug des Rhetorik- wie auch des Gesangsunterrichts betrachtet, verselbständigte sich dann aber zu einem eigenständigen kommerziellen Unternehmen, zunächst deutlich erkennbar bei Richard Mulcaster, Rektor der Merchant Taylors' School und Verfasser eines in elisabethanischer Zeit verbreiteten Erziehungshandbuches (Positions). Den letzten ausgewiesenen Auftritt bei Hofe hatte das Ensemble 1581/82. Andere bei Hofe auftretende Schulensembles waren Eton School (letzter Auftritt bei Hofe 1571/72) und Westminster School (1573). Richard Mulcaster scheint der erste gewesen zu sein, der eine kommerzielle Nutzung der Schauspielkunst durch öffentliche Auftritte vorangetrieben hat. Er stieß dabei jedoch auf den Widerstand der eigenen Zunft. Ab etwa 1572 treten bei Hofe verstärkt auch Erwachsenenensembles auf.

Bedeutender für die Geschichte des Theaters der elisabethanischen Zeit und der Jahrzehnte danach waren die Ensembles, die aus den Chören hervorgingen. Zum einen waren dies die Children of Paul's (die Chorknaben der Sankt-Pauls-Kathedrale), zum anderen die Chorknaben der königlichen Kapellen in London (Chapel Royal Children) und Windsor.

1575 eröffnet Sebastian Westcott, Leiter der Knabenchorschule der Sankt-Pauls-Kathedrale, ein Theater auf kommerzieller Basis. 

Ende 1576 mietet Richard Farrant ein Haus im Blackfriars-Viertel in der Absicht, dort ein Theater einzurichten. Farrant ist Leiter der königlichen Chorschule von Windsor; er ist zugleich stellvertretender Leiter der Kapelle in London, dessen Leiter William Hunnis ist. Die beiden Kinderensembles, die Windsor Chapel Children und die Chapel Royal Children, treten auch gemeinsam auf. Gemeinsam sind sie auch als Blackfriars' Boys bekannt. Dem Vermieter sind die Schauspiele ein Dorn im Auge.

Im November 1580 stirbt Farrant. Sein Vorgesetzter William Hunnis übernimmt das Theater. 1583 überlässt er es Henry Evans, der nach einer Unterbrechung 1600 das Ensemble an gleicher Stätte fortführen wird. Henry Evans droht jedoch der Hinauswurf. Um dem zuvorzukommen, vermietet er die Räume weiter an den Earl of Oxford, der sie seinerseits seinem Sekretär John Lyly überlässt. „Zweifellos arbeiteten Hunnis, Lyly und Evans alle gemeinsam unter der Schirmherrschaft des Earl of Oxford, denn ein Oxford's Boys genanntes Ensemble spielte bei Hofe unter Lylys Leitung im Winter 1584-4 und unter Evans' Leitung im Winter 1584-5." (E.K. Chambers, The Elizabethan Stage, Vol. I, S. 497). Im Frühling 1584 bezieht der Eigentümer die Räume selbst.

Das Unternehmen ist damit jedoch noch nicht am Ende. 1582 wird Thomas Giles Nachfolger von Sebastian Westcott als Leiter des Knabenchors der Sankt-Pauls-Kathedrale. Giles ist es wahrscheinlich, der die Fusion des Ensembles der Paul's Boys mit den Ensembles der beiden königlichen Kapellen vorantreibt. Die vereinigten Ensembles ziehen 1584 vom Blackfriars-Theater ins Theater nahe der Paulskathedrale um und firmieren von nun an gemeinsam als Paul's Boys.  

1584 schreibt ein gewisser Jack Roberts an Sir Roger Williams: „Passt auf und nehmt Euch in Acht vor Lord Oxenfords Mann namens Lyly, denn wenn er diesen Brief sieht, wird er ihn in Druck geben oder ihn von den Paul's Boys auf der Bühne spielen lassen." (zitiert nach G.K. Hunter, John Lyly - The Humanist as Courtier, London 1962, S. 76).

Und Gabriel Harvey schreibt 1589 (1593 abgedruckt in Pierce's Supererogation) über Lyly:

„He hath not played the Vicemaster of Paul's and the Foolmaster of  the Theater for naughtes; himself a mad lad, as ever twanged, never troubled with any substance of wit, or circumstance of honestie, sometime the fiddle-sticke of Oxford, now the very bable of London." (Harvey, Works, II.213).

Lyly habe nicht umsonst den "Vicemaster" im Theater der Paul's Boys und der Narrenmeister im Theatre (dem Schaupielhaus dieses Namens) gespielt; er selbst sei ein schlechter Kerl, zuckend, wie immer, nimmer bekümmert um ein Körnchen Weisheit oder anständiges Benehmen, einmal der Geigenbogen Oxfords, jetzt die wahre Narrenschelle (wörtlich: Narrenstab) Londons.

„Vicemaster" ist nicht so sehr als „Vizemeister" zu verstehen denn als derjenige, der Regie über die „Vices" führte, jene clownhafte Assistenten des Teufels in den Mirakelspielen und Moralitäten. 

Bekannt ist, dass sich John Lyly Ende 1588 mit Stücken gegen Martin Marprelate, den anti-anglikanischen Pamphletisten, engagierte. Er hat dies mit ziemlicher Sicherheit in The Curtain getan (wie man einer Anspielung in einem  anonymen Pamphlet entnehmen kann), aber Harveys Aussage zufolge vermutlich auch im benachbarten The Theatre und mit dem Ensemble der Paul's Boys. Genau das dürfte diesem Ensemble zum Verhängnis geworden sein, denn die Auflösung des Ensembles wurde in der Verfügung des Kronrats damit begründet, dass „sie sich ohne Urteilsvermögen und Schicklichkeit angemaßt haben, theologische und politische Themen zu behandeln". Womit nur die öffentliche Polemik mit Martin Marprelate gemeint sein kann.

2. Kinderensembles nach 1599

1599 formierte sich das Ensemble der Paul's Boys neu. Vor allem William Stanley, Earl of Derby, scheint sich einer Aussage eines Zeitgenossen (Roland White in einem Brief vom 13. November 1599 an Sir Robert Sidney) zufolge besonders engagiert zu haben. „Lord Derby hat die Paulskinder unter großen Mühen und Kosten wieder aufgebaut." (Gurr, S. 339). Das Ensemble war in besseren Kreisen beliebter als die Erwachsenenensembles, wohl war Kindertheater als weniger professionell und kommerziell betrachtet wurde. Fehlende Professionalität und kommerzielle Unrentabilität waren wohl der Hauptgrund, weshalb das Ensemble 1606 aufgelöst wurde.

Mehr Spuren hinterließen die Blackfriars Boys, die, obwohl immer das gleiche Ensemble, nacheinander unter diversen Namen firmierten: Children of the Chapel, Queen's Revels Children, Children of the Revels und dann wiederum Queen's Revels Children.

Es war Henry Evans, derselbe Evans, der von 1584 bis 1589 mit Lyly und dem Earl of Oxford zusammengearbeitet hatte, der die Truppe neu organisierte. Die Blackfriars-Räume waren am 4. Februar 1596 von James Burbage gekauft worden, der plante, dort ein überdachtes Schauspielhaus für die Chamberlain's Men zu eröffnen, die, da der erste Baron Hunsdon gestorben war und sein Sohn erst ca. 9 Monate später Lord Chamberlain wurde, für eine kurze Weile Lord Hunsdon's Men hießen. Das Vorhaben scheiterte jedoch am Widerstand der Anwohner, die kein öffentliches Theater in der Nachbarschaft duldeten. Unter den Beschwerdeführern war übrigens auch der eigene Schirmherr George Carey, 2. Baron Hunsdon, kurz danach Lord Chamberlain. Burbage hatte dann die Räume Henry Evans vermietet.

Evans wählte für das Ensemble einen an die beiden Vorgänger, Windsor Chapel und Chapel Royal Children, erinnernden Namen: Children of the Chapel. Er assoziierte sich mit Nathaniel Giles (nicht mit Thomas Giles verwandt), dem Leiter der Chorknaben der Windsor-Kapelle, so dass er Knaben für sein Ensemble rekrutieren konnte.

Im Februar 1604 erhalten sie eine neue Lizenz und dürfen sich jetzt Queen's Revels Children nennen; sie gehören jetzt offiziell zum Haushalt von Queen Anne (jedes der Mitglieder der königlichen Familie hatte einen eigenen Haushalt  mit einem eigenen Lord Chamberlain, Lord Steward, usw.). Sie stehen nicht, noch nicht, unter der Kontrolle Tilneys, des Master of the Revels, sondern haben einen eigenen Aufseher, den Dichter Samuel Daniel.   

Das Ensemble spezialisiert sich auf Satire. Ben Jonson, George Chapman und John Marston schreiben für es. Auch König Jakob I. bleibt vom Ensemble des Haushalts seiner Gattin nicht verschont. Der französische Botschafter wundert sich darüber, dass die Königin Gefallen daran findet, dass man sich auf der Bühne ihres Ensembles über ihren Gatten lustig macht. Jakob I. scheint die Häme seiner Gattin nicht sonderlich nahe zu gehen. 1605 platzt ihm dann doch der Kragen. Nicht wegen seiner Ehefrau, sondern weil das Ensemble das Stück Eastward Ho! aufführt, eine Koproduktion von Ben Jonson, George Chapman und John Marston, in dem seine schottischen Landsleute verspottet werden. Jonson und Chapman werden eine Weile eingesperrt. Es schüchtert das Ensemble nicht ein. Auch nicht den Autor John Day, in dessen Stück The Isle of Gulls (Die Insel der Tölpel) gleich zwei Sprachen gesprochen werden: die englische und die schottische, letztere offenbar in etwas verunglimpfender Weise. Ab 1606 werden auch sie der Kontrolle des Master of the Revels unterstellt. Aus dem Haushalt der Königin waren sie bereits ein Jahr vorher wegen der Aufführung von Samuel Daniels Tragödie Philotas ausgegliedert worden, in der eine Allegorie auf die Essex-Rebellion gesehen wurde, die sich vier Jahre vorher ereignet hatte. Der Zusatz „Queen's" verschwindet aus der Bezeichnung. Sie nennen sich jetzt einfach Children of the Revels, obwohl aus den Knaben von 1600 inzwischen junge Männer geworden waren.

Henry Evans hielt sich seit 1601, als er wegen einer nicht ganz legalen Anwerbung eines Chorknaben gemeinsam mit Nathaniel Giles vom Vater des Jungen verklagt worden war, etwas im Hintergrund, während Giles ausschied. „Evans setzte als Teilhaber an seiner Stelle seinen Schwiegersohn ein und gewann drei neue Kapitalgeber." (Gurr, S. 348). Er blieb jedoch die treibende Kraft des Ensembles. 1606 gewann er einen weiteren Kapitalgeber hinzu, Robert Keysar, einen Londoner Goldschmied mit Ambitionen im Theatergeschäft.

1608 brachten zwei andere Stücke das Ensemble wieder in die Bredouille. Das eine Stück, George Chapmans Conspiracy and Tragedy of Byron erweckte den Zorn des französischen Botschafters, weil in dem Stück die Mätresse des französischen Königs die Königin geohrfeigt hatte. Das andere Stück ist verlorengegangen. Nur aus einem Brief des französischen Botschafters weiß man, dass Jakob I.  dort als täglich betrunken dargestellt worden war. Edmund Tilney, Master of the Revels,  griff ein und veranlasste eine Reorganisation des Ensembles. Henry Evans zog sich zurück, beendete das Mietverhältnis mit den beiden Burbage-Brüdern, machte damit zugleich den Weg frei für den Bezug des Theaters durch das Erwachsenenensemble, womit Richard und Cuthbert Burbage den Plan verwirklichten, mit dem ihr Vater James 1596 gescheitert war. Robert Keysar kam  dadurch zwar in den Besitz des Ensembles, stand aber zunächst ohne Theater dar, weshalb er Henry Evans und die führenden Teilhaber der King's Men „Richard Burbage, Cuthbert Burbage, John Heminges, Henrye Condell and others" (Chambers, Shakespeare, II.64) verklagte.

Es ist auf dieser Webseite unter "Die Maske Shakespeare - Pseudonym oder Strohmann", Abschnitt „Der Teilhaber",darauf hingewiesen worden, dass die „others" 1608 nur für zwei Personen stehen könne: William Shakespeare und den völlig unbekannten Thomas Evans, der aller Wahrscheinlichkeit nach ein Verwandter von und Treuhand für Henry Evans sein müsse, wie er denn früher auch schon seinen Schwiegersohn als Treuhand eingesetzt hatte. Dieser Meinung ist ebenfalls E. K. Chambers:

„As part of his consideration, Evans, through a nominee, was admitted by Burbadge into a new syndicate, of which the other members were Burbadge himself and his brother Cuthbert, and some of the leading players of the King's company, by whom it was intended that the Blackfriars should now be used." (E.K. Chambers, Elizabethan Stage, I. 509).

[„Als Gegenleistung für seinen Beitrag über einen Treuhand wurde Evans von Burbage in eine Teilhabergruppe aufgenommen, deren andere Mitglieder Burbage selbst und sein Bruder Cuthbert sowie einige der führenden Schauspieler des Ensembles waren, das nun das Blackfriars-Theater zu nutzen beabsichtigte."]

Die von Chambers an dieser Stelle nicht genannten führenden Schauspieler und Teilhaber sind: John Hemminges, Henry Condell und William Shakespeare. In Keysars Klageschrift rangiert letzterer nun nicht neben Hemminges und Condell, sondern neben dem obskuren Treuhand Thomas Evans unter „anderen", und dies obwohl Robert Keysar, selber Theatermanager, über die Verhältnisse innerhalb der Partnerschaft informiert gewesen sein dürfte. Auf diesen Umstand, dass Keysar William Shakespeare nicht als bedeutsam einschätzte, geht Chambers natürlich nicht ein.

Im Sommer 1608, nach Evans' Ausscheiden, hatte Robert Keysar ein  eigenes Ensemble, aber kein Theater mehr. Zum Glück hatte ein anderes, noch junges Ensemble, die Children of the King's Revels, von dem eine auf den 10. März 1608 datierte Vereinbarung bekannt ist, welche das Ensemble nur um wenige Monate überlebte (Chambers, Elizabethan Stage, II.64-68), eine Aufführungsstätte verwaist zurückgelassen. Sie lag in einem anderen Freibezirk, dem Whitefriars-Viertel. Seit Beginn 1610 dürfte sich das Ensemble wieder Children of her Queen's Revels nennen. Die letzte bekannte Aufführung bei Hof war im November 1613. Von diesem Zeitpunkt an sind nur noch verstreute Auftritte in der Provinz nachweisbar.

Schließlich sind noch Beeston's Boys zu erwähnen, das Kinderensemble des Königs und der Königin unter Leitung von Christopher Beeston (ab 5. April 1639 unter Führung seines Sohnes William), das im Februar 1637 gegründet worden war und den öffentlichen Spielbetrieb im Oktober 1637 aufnahm, als die Theater nach fast anderthalbjähriger Schließung wegen einer Pestepidemie wieder öffneten. Es scheint allerdings bereits im Mai 1637 bei Hof aufgetreten zu sein. Siehe auch "Die Autorschaftsfrage..." und die Tabelle.

3. Private Theater - Erwachsenenensembles

Siehe: Tabelle - Private Theater

vergl. auch: Stadtplan von London um 1600

Blackfriars

„Denn so außergewöhnlich Euer Kopf oder Eure Weisheit sein möge, Euer Zuspruch stehe dahinter nicht zurück - seid also nicht knauserig. Bietet Eure sechs Pfennig, dann Euren Shilling, dann Eure fünf Shilling, oder mehr, so erreicht Ihr die Größe, die richtig ist, und willkommen geheißen wird. Doch was immer Ihr tun möget, kauft. Urteilen treibt kein Geschäft an und damit läßt sich kein Buchhändler abspeisen. Und obwohl Ihr ein verständiger Richter seid, und im Blackfriars oder im Cockpit auf der Bühne sitzt, um täglich Urteile über Stücke zu fällen, sei Euch gesagt, dass diese Stücke bereits ihr Urteil empfangen haben und längst über alle Berufunginstanzen hinaus sind."

So wird 1623 im „Brief an die große Vielfalt der Leser" zum Kauf der Gesamtausgabe von Shakespeares Bühnenstücken aufgerufen. Die „große Vielfalt der Leser" schließt das breite Publikum des Globe-Theaters nicht ein, sondern nur das der beiden privaten Theater Blackfriars und Cockpit (Phoenix). (Es werden nur Blackfriars und Cockpit erwähnt, zwei „private Theater". Tatsächlich schloß die Globe-Kundschaft ein viel breiteres Publikum mit ein. Es bedeutet nicht, dass die Gebildeten Aufführungen im Globe ferngeblieben wären, aber im Blackfriars und Cockpit waren sie unter sich.)

Das dritte private Theater, Salisbury Court, startete erst sechs Jahre später. Die Erwähnung bedeutet nicht, dass auch im Cockpit Shakespeare-Stücke aufgeführt worden wären, sondern lediglich, dass sich der Aufruf an die gebildeten Schichten richtet, an die sich auch die Repertoires von Blackfriars und Phoenix richten. Das Erwachsenen-Ensemble der King's Men setzt damit die Tradition der Kinderensembles fort. Es ist Theater für ein selektes Publikum. Man grenzt sich vom Abschaum des öffentlichen Theaters ab, man fühlt sich als die Kreme der Gesellschaft, und obwohl Kreme und Abschaum verwandte Erscheinungen sind, fühlen sich die Besten durch die Abgrenzung von ihren Verwandten unter sich, was darin zum Ausdruck kommt, dass immer auch Zuschauer auf der Bühne Platz nehmen und sich selbst verschroben als Teil des Theaters  der Gehobenen darstellen.

Die soziale Abgrenzung dehnt sich ab ca. 1630 auf die Autorschaft aus. Immer mehr beherrschen von Höflingen geschriebene Stücke das Repertoire der King's Men: Sir William Davenant, Sir William Berkeley (später erster Gouverneur von Virginia), Sir John Suckling, u. a.

[Doch auch der Kampf mit der City geht weiter: am 9. August 1608 wird der Mietvertrag abgeschlossen, am  20. September 1608 verliert eine Reihe von Freibezirken, darunter Blackfriars und Whitefriars, ihren Sonderstatus. Sie sind jetzt nicht mehr „liberty", sondern „in the city",  weshalb die Anwohner ihren Einspruch gegen das Theater nicht mehr wie 1596 an den Kronrat richten, sondern an den Lord Mayor, und abermals 1633. Doch die King's Men können sich jedesmal auf den Hof verlassen. Im September 1642 nicht mehr. Das Parlament beschließt die Schließung der Theater.]

 Korrektur:

Doch auch der Kampf mit der City geht weiter: Am 20. September 1608 verliert als Gegenleistung Königs Jakob I.  für eine ihm von der Stadt London gewährte beträchtliche Anleihe, eine Reihe von Freibezirken, darunter Blackfriars und Whitefriars,  ihren Sonderstatus und stehen nunmehr unter der Jurisdiktion der Stadt.  Erst am 19. Juni 1609 wird der Mietvertrag zwischen Sir George More und den King's Men abgeschlossen.  Etwas anders als Shapiro es darstellt, war das Blackfriars-Viertel kein Freibezirk mehr, als Shakespeares Ensemble dort den Spielbetrieb aufnahm

The Phoenix (Cockpit)

Ein ähnlicher „Klassenkampf" begleitet auch die Anfänge des Cockpit. Christopher Beeston war bestrebt, das duale Modell der King's Men: breites Publikum im Globe und selektes Publikum im Blackfriars, zu übernehmen. Sein Ensemble, the Queen's Men, spielte im Red Bull vor dem großen Publikum. Gegenstück zum Blackfriars wird das private Theater Cockpit, ursprünglich eine Hahnenkampfarena („Cockpit"). Gegen diese Ausgrenzung protestierten die Londoner Lehrlinge und schlugen den Cockpit kurz und klein. Christopher Beeston musste das Theater neu aufbauen, sozusagen „aus der Asche auferstehen lassen": für das neu erbaute Theater wählte er den Namen Phoenix.

Salisbury Court

Das 1629 gegründete Salisbury Court Theater lag im ehemaligen Whitefriars-Freibezirk, in unmittelbarer Nähe des früheren Whitefriars-Theaters; es war jedoch kein Nachfolger des letzteren. Soziale Gegensätze, wie sie die Geschichte von den Blackfriars- und Cockpit-Theatern begleiteten, sind nicht bekannt, möglicherweise deshalb, weil das Ensemble vorwiegend aus jungen Schauspielern bestand. Ein reines Kinderensemble war es indes nicht. Urahn des Ensembles ist das Ensemble der elisabethanischen Admiral's Men, das 1604 unter den Schutz von Prince Henry stand nach dessen Tod im November 1612 vom Schwiegersohn Jakobs I., Friedrich von der Pfalz (Palsgrave's Men), der für kurze Zeit König von Böhmen war. Zeitweise nannte sich das Ensemble King and Queen of Bohemia's Men, obwohl Friedrich und Elisabeth schon mehrere Jahre entthront waren. Das Ensemble spieele immer noch in The Fortune.

Es war der Manager Richard Gunnell, Nachfolger Edward Alleyns, der das Theater bauen ließ. Auch hier erkennt man den Versuch, ein duales Theatersystem zu bilden. Nachfolger Gunnells wurde 1635 Richard Heton. Er war es, der 1636 den Vertrag mit dem Bühnenschriftsteller Richard Brome abschloss. Siehe „Gehörte das Eigentum an Shakespeares Stücken wirklich seiner Schauspielergesellschaft?".

© R.Detobel