James Shapiro. Contested Will. London: Faber & Faber 2010.
13. April 2010:
Abschnitt: "The evidence for Shakespeare", S. 254
Shapiro fährt fort:
"Als Schauspieler, Stückeschreiber und Teilhaber im beliebtesten Ensemble des Landes - das in den großen Freilufttheatern vor nicht weniger als dreitausend Zuschauern auf einmal auftrat - war er dazu eines der bekanntesten Gesichter in der Stadt und bei Hofe. Hätten die Leute daran Zweifel zu hegen begonnen, dass der Akteur und Stückeschreiber, den sie als Shakespeare kannten, ein Betrüger und nicht der Akteur-Schriftsteller war, dessen Stücke sie sahen und kauften, wir würden das erfahren haben."
"As an actor, playwright and sharer in the most popular playing company in the land - which performed before as many as three thousand spectators at a time in the large outdoor theatres - he was also one of the most familiar faces in town and at court. If, acting and writing in London, people began to suspect that the man they knew as Shakespeare was an impostor and not the actor-dramatist whose plays they witnessed and purchased, we would have heard about it."
Über Fassungsvermögen und Zuschauerzahlen sind keine zuverlässigen Zahlen zu erhalten. E. K. Chambers (Elizabethan Stage) erwähnt keine solchen Zahlen. Auf der Grundlage von Philip Henslowes Eintragungen glaubt Andrew Gurr vermuten zu können, dass zum Theater „The Rose" zwischen 1592 und 1600 im Durchschnitt zwischen 1000 und 2000 Zuschauer kamen (Andrew Gurr, The Shakespearian Playing Companies, Oxford: Clarendon Press, 1996, S. 93). Woher Shapiro die Zahl 3000 nimmt, ist nicht ersichtlich. Quellen nennt er nicht.
Und ob William Shakespeare eines der bekanntesten Gesichter in London war? Wenn er wirklich aussah wie auf dem Droeshout-Stich wäre er wohl aufgefallen (!), auch ohne Aufritte auf der Bühne. Wenn wie auf der Büste in Stratford, dürfte er nicht so aufgefallen sein. Wenn wie auf dem Cobbe-Porträt, so ist er sicherlich eines der bekanntesten Gesichter in London, heute auf jeden Fall. Und bei Hofe? Darüber weiß auch Shapiro nichts. Folglich fällt er in die „Methode" des Verdrehens wie in seinem 1599 - Ein Jahr im Leben William Shakespeares zurück.
Aber in allen Dokumenten seit Februar 1598 bis März 1616 wird er als Bürger von Stratford erwähnt und die beiden Londoner Adressen vom Herbst 1598 und 1603/4 zeigen, dass er in London keine feste Anschrift besaß.
Es existieren nicht viele Schauspielerdokumente für den Anfang der angeblich fünfundzwanzigjährigen Karriere des Akteurs Shakespeare. Der Anfang müsste nach Shapiro auf das Jahr 1588 oder 1589 datiert werden. Es bestehen nun zwei solche Dokumente für die Jahre 1592 und 1593. Beide betreffen die Lord Strange's Men, jenes bis 1593 bestehende Ensemble, aus dem zum größten Teil Shakespeares Ensemble The Chamberlain's Men Mitte 1594 hervorging. In keinem der beiden Dokumente ist Shakespeare erwähnt.
Es existieren auch nicht viele Dokumente über sein Auftreten als Akteur. In den Listen, die Ben Jonson in der Folioausgabe seiner Theaterstücke angibt, kommt der Name Shakespeare zweimal vor, einmal 1598 als Shakespeare und einmal 1603 als Shake-speare. Warum Ben Jonson, der qua Rechtschreibung auf Konsistenz geachtet zu haben scheint, den Namen einmal ohne und einmal mit Bindestrich schreibt, ist durchaus hinterfragungswürdig.
Aber 1599 und nach 1603 verschwindet der Name aus Ben Jonsons Listen der Chamberlain's Men und dann der King's Men.
Es ist auf dieser Webseite bereits darauf hingewiesen worden, dass dem zeitweiligen Theatermanager Robert Keysar 1610 das in London so „bekannte Gesicht Shakespeares" nicht kannte.
Es ist vielleicht nicht unangebracht, den Sachverhalt an dieser Stelle noch einmal zu schildern:
„Es gibt allerdings noch einen unmittelbareren Grund für die Annahme, dass der Teilhaber Shakspere nur ein „Strohmann" für den wirklichen Teilhaber war, eine Begebenheit, die der orthodoxen Zuversicht in den „Theatermanager" Shakspere fast genauso erschüttert wie William Beestons Mitteilung die zuversichtliche Vorstellung des „Schriftstellers" Shakspere. 1610 reicht Robert Keysar im Zusammenhang mit dem Erwerb des Blackfriars-Theater durch Shakespeares Ensemble eine Klage ein. 1596 hatte James Burbage versucht, dort ein öffentliches Theater einzurichten, ein Theater fürs breite Publikum also, was am Widerstand der Anwohner gescheitert war. 1600 vermieten James Burbages Söhne Richard und Cuthbert das Theater an Henry Evans, der dort eine Kinderschauspieltruppe spielen lässt. Robert Keysar war ein Londoner Goldschmied, der sich als Theaterunternehmer versuchte. Keysar war ein Intimkenner der Theaterszene. Er war u. a. mit dem Bühnenschriftsteller Francis Beaumont befreundet. Henry Evans geriet in Verruf und zog sich zurück. Oder genauer: er trat in den Hintergrund, blieb aber die treibende Kraft. 1608 tritt Robert Keysar als Geldgeber ein. Auch er hält sich als Teilhaber im Hintergrund. Aber am 9. August 1608 vermietet Henry Evans das Theater an sieben Teilhaber, Cuthbert Burbage, Richard Burbage, William Shakespeare, John Hemmings, Henry Condell, William Sly und Thomas Evans. Thomas Evans, von dem sonst nichts bekannt ist, ist vermutlich ein Strohmann für Henry Evans. Als Keysar 1610 seine Klage einreicht, sind es nur noch sechs. Der Theaterinsider Keysar erwähnt sie nicht alle, sondern klagt gegen „Richard Burbage, Cuthbert Burbage, John Heminges, Henrye Condell and others", gegen die vier Genannten und Sonstige." Der eine Sonstige ist Thomas Evans, von dem nichts bekannt ist, außer dass er vermutlich Henry Evans' Verwandter und Strohmann war; der andere Sonstige, den der Theaterkenner Robert Keysar entweder nicht kannte oder für unerheblich hielt, ist der große Schriftsteller, der angesehene Teilhaber, der Theatermensch William Shakespeare, den Keysar auf die gleiche Sonstigkeit reduziert wie den ungreifbaren Thomas Evans."
Als 1613 der „Globe" abbrennt, wird in einer Ballade der Name Shakespeare nicht genannt (John Payne Collier hatte ihr nachgeholfen). Shapiro zufolge war er da immer noch in London. Bis 1614, behauptet er.
John Payne Collier liefert das Stichwort zum nächsten Absatz in Shapiros Buch.
© Robert Detobel 2010