Shapiro-Tagebuch (5) Statt Zettels Traum - Setzers Alptraum

James Shapiro. Contested Will. London: Faber & Faber 2010.

17. April 2010:

Abschnitt: "The evidence for Shakespeare", S. 256

„Am Anfang seines Werdegangs hat Shakespeare mit sehr viel Sorgfalt seine beiden großen Versepen Venus und Adonis und Die Schändung der Lucretia in den Druck gegeben. Es wurden Bestseller mit vielen Auflagen. Während sein Name nicht auf den Titelseiten steht, sind Widmungen in Briefform an den Graf von Southampton und unterschrieben mit 'William Shake-speare' in kursiver Schrift am Anfang in beiden Werken enthalten. Es ist das erste Mal, dass der allbekannte Bindestrich in gedruckter Form seines Namens erschien; für Skeptiker ein sprechendes Zeichen einer unter einem Pseudonym erschienenen Veröffentlichung."

"Early in his career Shakespeare showed great care in seeing into print his two great narrative poems, Venus and Adonis and The Rape of Lucrece, bestsellers that went through many editions. While his name didn't appear on the title pages of these volumes, dedicatory letters addressed to the Earl of Southampton and signed 'William Shake-speare' are included in italics in the front- matter of both. It's the first time that the notorious hyphen appeared in the printed version of his name, a telling sign, for sceptics, of pseudonymous  publication."

So etwas wie ein Bindestrich wird leicht übersehen. Sehr viel schwerer ist es, einen zu sehen, wo keiner ist. Shapiro gelingt dies! Eine Leistung, die volle Beachtung verdient.

Der Name Shakespeare steht in beiden Werken ohne Bindestrich!

    
aus Lucretia


        
     aus Venus und Adonis


Beachtlich ist auch, dass Shapiro für die Texte in beiden Widmungen kursive Schrift behauptet, während dies nur für Venus und Adonis gilt, nicht für The Rape od Lucrece.

Möglicherweise ist der berüchtigte Bindestrich für Shapiro eine so bedrohliche Gestalt, dass er schon Gespenster sieht, wo keine sind, vielleicht vom Bindestrich verhext?

„Schriftsetzer der elisabethanischen Zeit, die versuchten, die wertvollen Lettern vor Bruch zu schützen, hätten darüber gelächelt. Sie wussten aus Erfahrung, dass Shakespeares Name der Alptraum der Schriftsetzer war. Wenn einem „k" ein langes „s" in Kursivschrift folgte, konnten die beiden Lettern leicht zusammenstoßen und brechen -  zum Beispiel im Namen Shakespeare. Die einfachste Lösung war, ein "e" oder einen Bindestrich oder beides einzufügen. Wie wir bald sehen werden, verfolgten die Setzer verschiedene Verfahren. Und wie die Titelseiten der Quartos von King Lear (1608) und der Sonette (1609) zeigten, wurde dieses Verfahren auch beibehalten, wenn wieder mit lateinischen Lettern gedruckt wurde."

„Elizabethan compositors, trying to protect valuable type from breaking, would have smiled at that explanation. They knew from experience that Shakespeare's name was typesetter's nightmare. When setting a 'k' followed by a long 's' in italic font - with the name Shakspeare, for example - the two letters could easily collide and the font might snap. The easiest solution was inserting a letter 'e', a hyphen or both; as we'll soon see, compositors settled on different strategies. And as the title pages of the 1608 quarto of Lear and the 1609 Sonnets indicate, it's a habit that carried over when setting roman font as well."

Ob die Schriftsetzer gelächelt hätten, sei dahingestellt, gelächelt werden muss aber über Shapiro. Für seinen  Erklärungsversuch braucht er unbedingt die Kursivschrift, also auch in der Widmung von Lucretia! Sie wurde aber bei der Namensnennung gar nicht verwendet! 

Also sind die Setzer Schuld: Der Bindestrich - angeblich eine Folge von Kursivschrift - wurde laut Shapiro von ihnen eingefügt. Und das soll gelten, auch wenn gar nicht kursiv gedruckt wurde. Diesen Unfug hat J. Shapiro nicht bemerkt.

Wie man leicht zeigen kann, gab es größere Problem bei „ks": für die Setzer nicht, z. B. in Thomas Nashes Pierce Penniless wurden cockscombs, old hucksters, Booksellers und viele andere problemlos gemeistert.

Und was ist mit „Shakescene" aus Greene's Groatsworth Of Wit? Sollen wir annehmen, dass die Setzer hier den Namen geschont haben?

Und die Sonette? Der Schreibweise des Namens, nicht nur in römischen Lettern, sondern in GROSSBUCHSTABEN, auf Grund von Kursivschrift, in der er nie gedruckt worden war?

Dafür wird die Zunft der Setzer verantwortlich gemacht.
Und warum? Ist des „Setzers Alptraum" der Grund?

Nein, das ist der Stoff, aus dem Shapiros Bücher sind...

 

Anmerkung:

Die Theorie einer typographischen Notwendigkeit für den Bindstrich stammt ursprünglich aus einem Aufsatz von Gary Taylor. Sie wurde schon vor Jahren von Ruth Lloyd Miller (1922-2005) in einer gründlichen Untersuchung widerlegt. Dass Shapiro den Aufsatz von Taylor übernommen und die Widerlegung ignoriert hat, erklärt zwar seine kapitalen Fehler, entschuldigt sie aber nicht.