Shapiro-Tagebuch (8)

In der Nachfolge von Autolycus

Bin ich auch von Natur nicht ehrlich, so bin ich's doch zuweilen durch Zufall.

(Das Wintermärchen, IV, 3)

8.5.2010

James Shapiro. Contested Will. London: Faber & Faber 2010.
Abschnitt: "The evidence for Shakespeare"

Auf Seite 285 schreibt Shapiro:

  1. Die meisten der Tanzabschnitte ordnen sich um ein Maskenspiel, eine darstellerische Form für den Hof, die Tanz, Musik  und Sprache zusammenbringt.
  2. Ben Jonson war ein Erneuerer dieser Kunstform und war auch der erste, der das Jacobeanische Maskenspiel 1605 auf die Bühne des Blackfriars brachte.
  3. Shakespeares erster Versuch zu einem Maskenspiel war nicht viel später geschrieben worden und wurde in Timon von Athen im Globe präsentiert.
  1.  Most of these dance sequences revolve around a formal masque, a court-centred art form that drew together dance, music and the spoken word.
  2. Ben Jonson, one of the innovators of this genre, was also the first to introduce elements of the Jacobean court masque onto the stage in 1605.
  3. Shakespeare's first attempt at a masque, written not long after, appeared in Timon at the Globe.

Nach der recht allgemeinen ersten Feststellung interessieren die folgenden beiden Abschnitte:

1. Welches Maskenspiel oder welches Theaterstück hat Ben Jonson 1605 im Blackfriars zur Aufführung gebracht? Das würden wir zu gerne von Prof. Shapiro erfahren.

Warum er es nicht nennt, ist klar: Es gab es nicht!

Andrew Gurr, The Shakespearian Playing Companies (Chapter 20, p 362) nennt aus den Repertoire der Blackfriars Boys (Children of the Queen's Revels - die King's Men spielten noch nicht dort) die Stücke von Ben Jonson, die zur Aufführung kamen:

The Case is Altered (written about 1598),
Cynthia's Revels (ca. 1600),
Eastward Ho! (1605),
Epicene ( 1609), 
Poetaster (1601).

Keines dieser Stücke enthält Maskenspiele, bis auf Cynthia's Revels, das aber am Hof aufgeführt wurde und nicht für das Blackfriars geschrieben ist. Als Stück zu Ehren von Königin Elisabeth, das nicht gut angenommen worden war, ist es äußerst unwahrscheinlich, dass es 1605, einige Jahre nach ihrem Tod, im Blackfriars aufgeführt wurde. Aber selbst in diesem unwahrscheinlichen Fall ist es nicht möglich zu behaupten, Ben Jonson habe 1605 das Maskenspiel als neue Kunstform eingeführt.

Aber Shapiro schwindelt noch mehr:

2. Es gibt nicht den geringsten Nachweis, dass Timon von Athen jemals im Globe aufgeführt worden ist und die Datierung „1605" ist falsch (dazu siehe folgende Tagebucheinträge).