Shapiro-Tagebuch (42) „Money Lender and Malt Dealer"

In Kapitel 1, Abschnitt „Money Lender and Malt Dealer" (S. 69-77), kommt Shapiro (Seite 71-5) auf den Fälscher John Payne Collier zu sprechen. „Es kam wie eine große Erleichterung für die Shakespeare-Bewunderer, als in den 1830er Jahren der ehrgeizige junge Forscher John Payne Collier Schriften zu veröffentlichen begann, die eine Reihe biografischer Funde enthielten..." (S. 71) Collier wurde im Januar 1789 geboren, war also 1830 doch schon einundvierzig Jahre alt. Unter Colliers Fälschungen erwähnt Shapiro auch eine Liste im Londoner Bezirk Southwark erfasster Steuerpflichtiger aus dem Jahre 1609, darunter William Shakespeare (S. 72).

Doch das ist längst nicht die ganze Geschichte. Den Nachweis, dass Shakespeare bis 1608 in Southwark wohnte, hatte Malone 1796 schriftlich geäußert, jedoch nie veröffentlicht. Chambers drückt Malones Erklärung ab (Shakespeare, Bd. II, S. 88):

„Aus einem jetzt in meinem Besitz befindlichen Dokument, das früher Edward Alleyn, dem Schauspieler, gehörte, geht hervor, dass unser Dichter 1596 in Southwark nahe dem Bear Garden wohnte. Ein anderes in meinem Besitz befindliches Dokument, dass in meiner Geschichte seines Lebens abgedruckt werden wird, bietet einen überzeugenden Indizienbeweis dafür, dass er bis 1608 weiterhin dort wohnte." Aber den Nachweis hat Malone nie erbracht. Und auch in der Shakespeare-Biografie innerhalb von Malones 1821 posthum von James Boswell dem Jüngeren herausgegebenen Plays and Poems of William Shakespeare findet sich kein Hinweis darauf. Collier füllte die Lücke mit zwei gefälschten Dokumenten, die Malones Vermutung bestätigten und sogar noch um ein Jahr ausdehnten. Es bleiben zum „Beweis" eines Verbleibs Shakespeares im Londoner Bezirk Southwark also nur Malones unbelegt gebliebene Behauptung und Colliers Fälschung. Und das ist auch das einzige, was zur Stützung von Shapiros eigener Behauptung auf Seite 121 in 1599: A Year in the Life of William Shakespeare angeführt werden kann (wo natürlich jeder Hinweis auf Collier unterbleibt): „From Shakespeare's new lodgings near the Clink prison in the parish of St Saviour's in Southwark it was just a few minutes' stroll to the construction site of the Globe." („Von seinem neuen Aufenthalt nahe dem Clink-Gefängnis in der Pfarrei St. Saviour im Bezirk Southwark zur Globe-Baustelle brauche Shakespeare nur fünf Minuten zu gehen.)

Auf Seite 75 heißt es:

„Vieles ist über Shakespeares Malzgeschäfte geredet worden, wobei sich zeigte, wie wenig die Viktorianer vom Alltag in der Grafschaft Warwickshire am Ende des sechzehnten Jahrhunderts verstanden. In der Optik des neunzehnten Jahrhunderts erschien Shakespeare wegen seiner Finanzgeschäfte als ein raffsüchtiger Geschäftsmann. Das Horten von Malz ist ein besonders gutes Beispiel dafür, was missverstanden wird, wenn das Verhalten aus seinen kulturellen Zusammenhängen gerissen wird, denn am Ende des sechzehnten Jahrhunderts bildete die Malzerzeugung den Hauptindustriezweig der Stadt: jedermann, der etwas Kleingeld übrig hatte und eine Scheune besaß, lagerte soviel Malz, wie er konnte."

Was so syntaktisch glatt wie ein Vergnügungsboot mit blütenweißen Segeln auf einem grünlichen See unter wolkenlosem blauem Sommerhimmel dahergleitet, ist in Wahrheit ein grober Verdummungsversuch... mittels Loslösung eines Tatbestandes aus seinem historischen Zusammenhang. Ein angesehener Historiker dazu: „Das folgende Jahr, 1594, war das erste von fünf aufeinanderfolgenden Mangeljahren. Heftigen Windstürmen im März folgten sintflutartige Regenfälle im Mai, Juni und Juli... es gab eine gute Ernte im August, aber verheerenden Regenfälle im September; der Preis für Getreide schoss in die Höhe. Die Hungersnot setzte sich 1595 fort; in London gab es Hungeraufstände. (J.E. Neale, Elizabeth I and Her Parliaments, London 1953-57, Bd. 2, S. 335). Auch in Warwickshire gab es Hungeraufstände. Das Horten von Getreide verschlimmerte natürlich den Mangel. Und Getreide wurde nicht nur gehortet, um Malz zu erzeugen, sondern um den wegen der schlechten Ernten ohnehin schon hohen Getreidepreis weiter hochzutreiben. Deshalb sahen sich die Behörden gezwungen, bei des Hortens verdächtigen Personen Kontrollen durchzuführen. Unter anderem im Februar 1598 bei William Shackespere in Stratford. Kein Wort über diesen geschichtlichen Kontext bei Shapiro!

Obwohl er sie nicht stellt, scheint die Frage, wie Shakespeare, der eigentlich hauptsächlich in London auf der Bühne stehen müsste, die Zeit fand, bis Anfang 1598 in Stratford soviel Getreide zu lagern, dass auch er ins Visier der staatlichen Inspekteure geriet, Shapiro doch beschäftigt zu haben. Es ist wohl diese ungestellte Frage, die zu stellen er durch diesen Kommentar zu verhindern sucht: „Außerdem ist es wahrscheinlich, dass ein Gutteil der örtlichen Dokumente zu Shakespeares Geschäftsaktivitäten in Stratford in Wirklichkeit auf das Konto seiner Frau gehen." (S. 75)  Die Quelle?

                        Seht her, seht alle her.
                        Ich sauge aus dem Daum.
                        Fälschung nenn' ich es nicht mehr:
                        Dies nennt man Kindertraum.

Der Daum ist der Germaine Greers, aus dem sie ihre 2007 unter dem Titel Shakespeare's Wife erschienenen Phantasmen über Anne Hathaway gesaugt hat. Selbst wohlwollende Kritiker sahen sich genötigt, sanft auf die Tatsache hinzuweisen, dass Greer für ihre Thesen kein einzige Tatsache vorzubringen weiß, außer vorgespiegelten falschen Tatsachen, wie etwa die, Anne Hathaway käme aus einer Familie, zu dem auch der elisabethanische Bühnenschriftsteller Richard Hathway gehört hätte. Ein Rezensent verwendete für Greers Spinnereien den Ausdruck „Unsinn speien". In Shapiros Epilog (S. 307), wo er die gleiche Behauptung wiederholt, avanciert Greer zu einer ernst zu nehmenden wissenschaftlichen Quelle:

„Dank Forschungen wie Germain Greers Shakespeare's Wife ist heute klar, dass ein Großteil der Dokumente zu Shakespeares Wirtschaftsaktivitäten in Stratford - angefangen von der Malzverarbeitung bis hin zu kleinen Schuldbeträgen - Vorgänge betrafen, die unter Anne Hathaways Gerichtsbarkeit [sic! Shapiro schreibt „jurisdiction"] standen, Teil einer komplizierten Tätigkeit, nahezu dreißig Jahre lang einen Haushalt zu führen, während ihr Ehemann sich die meiste Zeit in London aufhielt. Hier lagen Biografen - besessen von der Vorstellung von Shakespeare als einem Malzhändler und unfähig, sich Anne Hathaway anders vorzustellen als eine verachtete, passive und möglicherweise untreue Ehefrau - wieder einmal falsch."

Wieder gut gesagter Unsinn.

Nicht von ungefähr verfängt sich Shapiros Sprache hier unter den gedanklichen Verrenkungen in der Komik. In elisabethanischer Zeit war, wenn nicht auf besondere Rechtsfiktionen wie etwa die Finalis Concordia zurückgegriffen wurde, eine Frau nicht rechtsgeschäfstfähig: bei Shapiro erhält Anne Hathaway sogar eine eigene Gerichtsbarkeit oder Jurisdiktion zugesprochen. Und was soll heißen: „Forschungen „WIE Germaine Greers Shakespeare's Wife"? Welche anderen Forschungen? Nur Greer hat solchen nassforschen Nonsens verbreitet. Ein Forscher ist kein Forscher.

Als ein Forscher - als substantiviertes Adjektiv - erweist sich oft genug auch Shapiro. Und versäumt es gleichwohl nicht, uns regelmäßig aufzufordern, die geschichtlichen Bedingungen klar vor Augen zu halten. Was selbstverständlich impliziert, er hätte diesen klaren Blick auf die wahren Verhältnisse, die, wenn sie auch der Wirklichkeit nicht im Geringsten entsprechen, sich vielleicht doch klar anhören, so sie nur im Tonfall des Weisen Mannes von der Waberkant vorgetragen werden. Indes zeichnet sich in den sehr verbogenen Formulierungen über Anne Hathaways „Jurisdiktion" ab, dass der Verfasser hier nicht bloß den eigenen Winkelzügen zum Opfer fällt, sondern auch seinen allzu dürftigen Kenntnissen des elisabethanischen Rechts. Im erstfolgenden Absatz erkennt er, sowenig wie alle anderen Shakespeareforscher, die sich mit dem Fall beschäftigt haben, den wahren Charakter des Clayton-Prozesses als eine Rechtsfiktion. Und auch nicht, dass es sich bei dem Kläger Willelmus Shackspere nicht um William Shakespeare aus Stratford handeln kann. Dies ist auf dieser Website einigermaßen gründlich analysiert worden. Siehe auch hier.

Shapiros Einblick in die geschichtlichen Verhältnisse, den er großzügig für sich selbst in Anspruch nimmt, ist oft nur der fehlende Einblick, den er großzügig nur bei anderen vermutet, wie sich an einer weiteren Stelle erweist.

 „R. B. Wheler [der Ende des 18. Jahrhunderts in Stratford nach Dokumenten suchte] wurde für seine Anstrengungen mit vier bedeutsamen Entdeckungen belohnt. Zwei davon betrafen komplizierte und einträgliche Grundstücksgeschäfte: das unbeglaubigte Gegenstück der Urkunde zur Übereignung des Old Stratford „freehold" durch William und John Combe an Shakespeare im Jahr 1602; und die Eintragung des Kaufs der Hälfte eines Zehnte erbringenden Pachtbesitzes in Stratford für die beträchtliche Summe von £440." (S. 68-9)

[ein „freehold" war ein Grundstück, an dem das Eigentum uneingeschränkt war; bei einem „leasehold", meist kurz „lease" genannt, war das Eigentumsrecht zeitlich befristet].

Im Folgenden wird der Frage nachgegangen, ob Shapiros Angabe „the unexecuted counterpart of the conveyance of the old Stratford freehold" korrekt ist. Es lohnt sich auch, sich einige andere Fragen zu stellen, die Shapiro nicht gestellt hat. Zum Beispiel diese: Wieso war das Gegenstück dieser Urkunde „unexecuted", d. h. nicht durch die betreffende Partei beglaubigt. Die betreffende Partei war William Stratford aus Stratford. Er war derjenige, der Shapiro zufolge nicht beglaubigte; ein scheinbar harmloses Detail.

Fangen wir mit der letztgenannten Urkunde, die Übertragung der Zehntrechte („tithes") an einem Grundstück an. Hier war die andere Partei ein gewisser Raphe Hubande. Im Folgenden einige Erläuterungen zu Übereignungsurkunden:

  1. Übereignungsurkunden wurden in sovielen Exemplaren ausgestellt, wie es Parteien gab. In diesem Fall je eins für Shakespeare und Hubande. Nur das Exemplar des Käufers Shakespeare ist erhalten. Es trägt natürlich den Namen des Verkäufers Raphe Hubande.
  2. Wurde es beglaubigt? Ja, aber nicht per Unterschrift. Eine Beglaubigung erfolgte: durch Zeugen, durch Anbringung des Siegels (nicht durch „Versiegelung", sondern, wie es in der Fachsprache hieß, durch „Untersiegelung", durch Anbringung des Siegels unten an der Urkunde (sei es durch Aufdruck eines Siegels, sei es durch Anhängung).
  3. Die Anbringung des Siegels war bis 1677 für die Gültigkeit der Urkunde absolut erforderlich, die Unterschrift wurde 1677 zur primären Bedingung der Gültigkeit, war es aber davor nicht.
  4. Wurde nur durch Anbringung des Siegels beglaubigt, lautete die Beglaubigungsformel „the parties have set their seals".
  5. Bis 1677 reichte die Anschrift zur Beglaubigung nicht aus, aber es hatte sich gegen Ende des 16. Jahrhunderts doch der Brauch eingebürgert, sowohl durch Untersiegelung als durch Unterzeichnung zu beglaubigen. In diesem Fall lautete die Formel „the parties have set their hands and seals".
  6. Schließlich war ganz zum Schluss noch eine weitere Formalität nötig, damit die Urkunde Rechtskraft erwirbt: Es musste ein formaler Aushändigungsakt („delivery") erfolgen. Dies konnte natürlich nur für eine ordungsgemäß beglaubigte Urkunde erfolgen. Also musste auf jeden Fall das Siegel aufgedrückt oder angehängt worden sein, die Minimalbedingung.  
  7. Nun war eine Urkunde ein ziemlich formalisiertes Schriftstück. Die einzelnen Positionen interessieren hier nicht. Hier interessiert nur die Beglaubigungsformel („Corroboratio" heißt der Fachterminus). Diese schrieb der Schreiber ganz am Ende, am Fuß der Urkunde hinzu. Um diese Formel niederzuschreiben, musste der Schreiber wissen, auf welche Weise der Beglaubigung sich die Parteien geeinigt hatten. Er musste in diesem Fall die beiden Parteien Shakespeare und Hubande fragen: „Meine Herren, wollt Ihr unterschreiben und untersiegeln oder wollt Ihr nur untersiegeln, was, wie Ihr wisst, ja ausreicht?" Shakespeare und Hubande hatten sich offensichtlich darauf geeinigt, nur das Siegel anzubringen und auf die Unteschrift zu verzichten.
  8. An dieser Stelle ist noch ein kurzer Seitenblick auf Anne Hathaways famose „Jurisdiktion" nützlich. Shakespeare muss selbst anwesend gewesen sein. Von Anne Hathaway als seine gesetzliche Vertreterin ist nicht die Rede. Natürlich nicht. Sie konnte als Ehefrau nicht einmal mit einer Vollmacht gesetzlich vertreten. Ob Shapiro weiß, was für einen Bock er da geschossen hat?
  9. Shakespeare und Hubande hatten sich offensichtlich darauf geeinigt, nur das Siegel anzubringen und auf die Unterschrift zu verzichten, denn die Beglaubigungsformel lautet „set their seals".  Von „hand" ist nicht die Rede.
  10. Ein Blick auf eine Abbildung der Urkunde zeigt nun den Namen „Raphe Hubande" unten auf der Urkunde. Der Name steht jedoch nicht eigentlich auf der Urkunde, sondern auf einem Pergamentstreifen am Siegel; nur der hintere Teil des Namens geht auf die Fläche der eigentlichen Urkunde über. Um das Siegel anzuhängen, wurde in der Urkunde ein Loch geschnitten, durch das der Streifen des Siegels geschoben, der dann mittels Wachs oder Schellack (manchmal auch Kordel) mit der Urkunde verklebt wurde. Was aber merkwürdig ist: Es handelt sich offenbar um eine Unterschrift, wenngleich in der Beglaubigungsformel nichts von einer Beglaubigung auch durch Unterschrift zu finden ist. Dann stellt sich natürlich die Frage, wieso Raphe Hubande nicht beschloss, warum er dem Schreiber nicht sagte, er wolle nicht nur untersiegeln, sondern auch unterzeichnen, wie es im Normalfall immer geschah. Denn seinen Namen dort zu schreiben, wo er geschrieben steht, hatte nicht viel Sinn, da er dort nicht als Unterschrift betrachtet wurde und somit keine Beglaubigungswirkung hatte. Es hatte nur Sinn, wenn Hubande irgendwie zeigen wollte, dass er auch noch hätte unterzeichnen können, wenn...
  11. Wir können noch fragen, was geschehen wäre, hätten Shakespeare und Huband dem Schreiber gesagt, sie wollten sowohl unterzeichnen als untersiegeln. Nun, dann hätte der Schreiber als Beglaubigungsformel gewählt: „set their hands and seals". Und mit Sicherheit hätte dann Raphe Hubande seinen Namen nicht zum größten Teil auf dem Pergamentstreifen geschrieben, sondern auf der Urkunde, entweder zum größten Teil oder zur Gänze.
  12. Der Schluss, der sich aufdrängt, ist, dass Shakespeare nicht zu unterzeichnen wünschte und er sich mit Hubande einigte, nur zu untersiegeln.

Für die erstere Urkunde, die Übereignungsurkunde des Grundstückes in Old Stratford, brauchen wir das Gott sei Dank nicht alles zu wiederholen. Wir fragen nur, ob die Urkunde, wie Shapiro schreibt, „unexecuted", nicht ordnungsgemäß beglaubigt war. Das kann nicht sein, denn dann wäre die Transaktion nicht vollzogen worden. Dann hätte auch die „delivery", die abschießende formale Aushändigung, nicht erfolgen können. Und die (sie wurde immer auf der Rückseite festgehalten) ist erfolgt. Die Urkunde wurde an die jeweiligen Parteien ausgehändigt. Allerdings nicht an William Shakespeare selbst, sondern an den Bruder Gilbert Shakespere „to the use of the within named William Shakespere", "im Namen und für Rechnung von William Shakespere, der in der Urkunde genannt wird".

Shakespeare war also an jenem Tag, dem 1. Mai 1602, wahrscheinlich nicht in Stratford. Der Schreiber der Urkunde konnte ihn nicht fragen, ob er auch zu unterzeichnen oder nur zu untersiegeln wünschte. Sie konnten es nur die andere Partei, die Brüder William und John Combe fragen. Und diese antworteten, sie wollten sowohl unterzeichnen als untersiegeln. So dass in diesem Fall die Beglaubigungsformel lautet „set their hands and seales". Und auf dem für den Käufer William Shakespeare bestimmten Exemplar sieht man ihre Unterschriften, integral auf der Urkunde, in einem Fall (William Combe) direkt oberhalb des Pergamentstreifens, im anderen Fall (John Combe) direkt recht neben dem Pergamentstreifen.

Auch das für die Combe-Brüder bestimmte Exemplar wurde gefunden. Es ist das Exemplar, auf das sich Shapiro bezieht. Aber weil Untersiegelung zur Beglaubigung einer Urkunde ausreichte, war auch dieses Exemplar ordentlich beglaubigt, „executed". Allein würde man erwarten, dass William Shakespeare nachträglich seine Unterschrift geleistet hätte. Er hat's aber nicht. Sie war nicht strikt notwendig. Aber das ist es, was Shapiro meint, wenn er von dem „unexecuted" Gegenstück spricht: Shakespeares Unterschrift fehlt als Beglaubigung.

Sie fehlt bei allen Urkunden. Auch die Namen auf den Blackfriars-Urkunden sind keine Unterschriften. Von den fünf bekannten Übereignungsurkunden im Zusammenhang mit Geschäften William Shakespeares weisen drei die Beglaubigungsformel „set their seals" auf und zwei die Beglaubigungsformel „set their hands and seals". In einem der beiden Fälle war Shakespeare jedoch abwesend und die Unterschrift blieb auch nachträglich aus. Im anderen Fall, die Übertragung der Treuhandschaft für das Haus im Blackfriars-Viertel im Februar 1618, war er gestorben. Aber er ist doch mehr als merkwürdig, dass 1613 beim Kauf und bei der Hypothekurkunde dazu die beiden Treuhänder William Johnson und John Jackson ihre Unterschrift, denn es ist ihre Unterschrift, in den nicht dafür bestimmten engen Raum des Pergamentstreifens zwängen, fünf Jahre später, als die neuen Treuhänder Partei sind, alle auf der Urkunde unterschreiben (die dann auch, im Gegensatz zu den beiden Urkunden des Jahres 1613, die entsprechende Beglaubigungsformel „set their hands and seals" aufweisen).

Noch üblicher als bei Urkunden war es, das Testament sowohl durch Unterschrift als durch Untersiegelung zu beglaubigen. Doch auch hier wollte William Shakespeare ursprünglich nur ein Siegel benutzen.

Betrachtet man diese fünf Fälle: Urkunden zu 1. Old Stratford Freehold, 2. den Zehnten, 3. dem Haus in Blackfriars, 4. Hypothekurkunde dazu, 5. Testament, so bleibt nur zu folgern, dass Shakespeare jeweils etwas vermied, was jeder Schreibkundige in solchen Fällen normalerweise tat: seine Unterschrift leisten.

Einen Ausdruck von Shapiro borgend, beschließen wir: William Shakespeare aus Stratford zeigte eine Prädisposition zur Unterschriftsleistungsvermeidung. Es ist diese Prädisposition, die zur Debatte stehen sollte, nicht die desjenigen, der angesichts solcher Umstände zweifelt, ob das der Autor der weltberühmten Stücke und Gedichte sein könne.

© Robert Detobel 2010