Die Autorschaftsfrage und Das Shakespeare Handbuch: Die Lord Chamberlains

VI. Pembrokes Schreiben vom 3.  März 1623

Das folgende Schreiben vom 3. März 1623 an die Druckergilde (Stationers' Company) betrifft nicht die Schauspieler und ihre Stücke, sondern die Kompetenz des Master of the Revels John Astley (häufiger auch, wie im folgenden Eintrag aus Court Book C, S. 155, „Ashley" geschrieben):

3º. Martij

Playes        This daie a letter from my lord Chamberlayne was openly read to all the Master Printers concerning the lycensing of Playes &c. By Sir John Ashley. The copie whereof is in the booke of letters.

Das Schreiben wurde allen Meisterdruckern vorgelesen (deren Anzahl war von den Behörden beschränkt worden; oberste Aufsicht über Neuernennungen führte der Erzbischof von Canterbury). Es wurde angeordnet, das Schreiben im „Buch der Briefe" aufzubewahren. Aus diesem „Buch der Briefe" sind bis heute zahlreiche Briefe erhalten; sie sind am Ende des Court Book C abgedruckt. Dieser Brief war nicht darunter. Er ist entweder verlorengegangen oder, wahrscheinlicher, enfernt worden, weil er gegenstandslos geworden war. Es wird noch zu zeigen sein, dass er im Juli 1637 in der Tat gegenstandslos geworden war.

Das Schreiben muss Verwunderung hervorrufen, denn: Seit Anfang 1607 hatte Astleys Vorgänger, Sir George Buc, bis auf sehr wenige Ausnahmen sämtliche Theaterstücke für den Druck genehmigt; ebenso Astleys Nachfolger, der ihm das Amt abkaufte, Sir Henry Herbert, vom Juli 1623 bis etwa Juli 1637. Herbert, Astley, Buc und dessen Vorgänger Edmund Tilney (1579-1610), der nie ein Theaterstück für den Druck genehmigte, waren zuständig für die Aufführungsgenehmigung von Stücken. Beide Genehmigungen sind streng auseinanderzuhalten, auch dann als sie in Personalunion vom Master of the Revels erteilt wurden (was einleuchtet, da eine Druckfassung erheblich von der Bühnenfassung abweichen konnte). Nie hat ein Lord Chamberlain sich bemüssigt gefühlt, dieses Recht auf Genehmigung von Stücken für die Bühnenaufführung einzufordern. Wir müssen daher schließen, dass der Anspruch des Master of the Revels, zwischen 1607 und 1637 Bühnenstücke für den Druck zu genehmigen, auf einer anderen rechtlichen Grundlage fußte, und zwar einer weniger sicheren, als der Anspruch auf Genehmigung für die Bühne. Was war die rechtliche Grundlage des letzteren?

1579 war Edmund Tilney zum Master of the Revels bestellt worden. Ihm wurden am 24. Dezember 1581 durch königliches „letter patent" („Privilegbrief") größere Befugnisse erteilt als seinen Vorgängern: Die Schauspielensembles hatten „at all time to appear before him with such plays, tragedies, comedies or shows... and them to recite before our said servant or his sufficient deputy." (Richard Dutton, Mastering the Revels - The Regulation of Censorship of English Renaissance Drama, Iowa City: University of Iowa Press, 1991, S. 48).  Die Schauspieler mussten mit ihren Stücken oder sonstigen Darbietungen vor dem Master of the Revels oder seinem rechtmäßigen Stellvertreter erscheinen und sie ihm vortragen. Einen solchen Privilegbrief hatten auch seine Nachfolger Buc und Astley erhalten. Eine Aufforderung des Lord Chamberlain, dieses Recht seiner Untergebenen anzuerkennen, wäre völlig überflüssig gewesen.

Am 3. März 1623 erachtete Pembroke in Bezug auf die Genehmigung von Stücken für den Druck eine solche Aufforderung nicht für überflüssig. Was war denn die Rechtsgrundlage des Anspruches des Master of the Revels auf Genehmigung der Stücke zum Druck?

© 2010 R. Detobel


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