Die Autorschaftsfrage und Das Shakespeare Handbuch: Die Lord Chamberlains

XIII. AUTOREN STATT AKTEURE

Zu den Beeston's Boys (siehe Tabellen 2 und 4) kann noch einmal wiederholt werden, dass von den 32 Stücken, die 1637 (und definitiv durch die Anweisung des Lord Chamberlain im Jahr 1639) von dem Ensemble der Queen Henrietta's Men auf die Beeston's Boys übergingen, 15 Stücke bereits vor 1637 gedruckt waren und 13 Stücke zwischen 1637 und 1642 gedruckt wurden. Von diesen 12 Stücken waren 4 von den verstorbenen Ko-Autoren Francis Beaumont (1616) und John Fletcher (1625), 1 von Henry Glapthorne, der selbst edierte, 1 von George Chapman (1634 gestorben), aber von James Shirley überarbeitet, während die  übrigen von James Shirley stammten, der sie entweder selbst edierte, wie die signierten Widmungen zeigen, oder während seines Aufenthalts in Irland vereinbarungsgemäß von seinen beiden Verlegern herausgeben ließ (siehe Anmerkungen zu Tabelle 4), wobei er auch hier manchmal noch eine Widmung selbst signierte.

Insgesamt wurden jedoch zwischen 1637 und 1642 20 Stücke aus dem Repertoire der Beeston's Boys gedruckt. Diese 8 anderen Stücke waren:

a)     2 von John Ford:  The Fancies Chaste and Noble und The Lady's Trial.

In beiden Fällen gilt: Der Name steht nicht auf der Titelseite, wohl aber in der Eintragung im Stationers's Register. Außerdem hat der Autor seine Widmung signiert, was unterstreicht, dass er das Werk selber ediert hat.

b)     3 von Henry Glapthorne:  Argalus and Parthenia, The Ladies' Privilege und Wit in a Constable.

In allen drei Fällen edierte der Autor das Stück: Name erscheint sowohl im Eintrag des Stationers' Register als auf der Titelseite und die Widmung ist wie üblicherweise vom Autor signiert.

c)     1 von Thomas Nabbes: The Bride.

Der Name erscheint im Eintrag des SR („Tho. Nabbs") und steht auf der Titelseite („by the Author Thomas Nabbes"). Die drei anderen Stücke, die nicht ins Repertoire der Beeston's Boys wechselten, wurden ebenfalls von Nabbes selbst ediert. 

d)     1 von Robert Davenport: A New Trick to Cheat the Devil.

Der Name erscheint im Eintrag im SR, „by Damport". Auf der Titelseite: „written by R. D." Das Vorwort schrieb der Verleger (Humphrey Blunden).

e)     1 von D.T: The Bloody Banquet.

Kein Eintrag in das Stationers' Register. Titelseite nur mit Initialen: „by T. D." Keine Widmung

In 6 Fällen ediert der Verfasser das Werk. In einem Fall wird der Autor ausgewiesen, durch Nachnamen im SR und durch Initialen auf der Titelseite. In einem Fall erscheinen auf der Titelseite nur die Initialen. Doch das in auch nur einem dieser beiden Fälle Schauspieler des Ensembles um ihre Zustimmung gebeten worden sein sollten - dafür gibt es nicht das geringste Anzeichen. Diese Forderung steht nur in den Briefen der Lord Chamberlains. Die Verleger haben sich nicht darum gekümmert. Autoren auch nicht.

King's Men (1)

Für die 14  zwischen 1637 und 1642 gedruckten Stücke zeichnen 11 Autoren verantwortlich. Die Mehrzahl von ihnen gehört zur „gentry", zur niederen Aristokratie. Lediglich Philip Massinger und Henry Glapthorne zählen nicht dazu. In beiden Fällen ist der Name des Autors im Eintrag des Stationers' Register wie auch auf der Titelseite angegeben. Außerdem unterzeichnen beide Autoren die Widmung.

Der Fall Beaumont und Fletcher liegt anders. Beaumont starb 1616, Fletcher 1625. Hier könnte man am ehesten zweierlei erwarten: dass erstens ein Raubdruck erfolgt, weil der Autor selbst keinen Einspruch einlegen kann, und zweitens das Schauspielensemble ein gewisses Mitspracherecht besäße. Für alle drei Stücke wird nur John Fletcher auf der Titelseite erwähnt und für zwei auch nur er im Eintrag im Stationers' Register. Obwohl alle Stücke der beiden Autoren als gemeinsame Produktion herausgegeben werden, ist John Fletcher aller Wahrscheinlichkeit nach der alleinige Verfasser dieser drei Stücke. Die Stücke müssen alle vor 1625 geschrieben worden sein. Für eines der Stücke, Rule A Wife and Have a Wife, kennt man das Datum der Aufführungsgenehmigung: 18. Oktober 1624. Alle drei sind somit „alte" Stücke. Doch wann kann ein Stück als alt betrachtet werden? Legt man den Bewertungsmaßstab von Sir Henry Herbert, Master of the Revels, zugrunde, dann gilt ein Stück, das älter als 10 Jahre ist, als alt. So bezeichnet er 1633 John Fletchers Stück The Loyal Subject, das 1618 aufgeführt wurde, als alt (S. 22). Ein verschollenes Stück, von Thomas Dekker um 1611 geschrieben, wird 1623  als alt bezeichnet (S. 25). Aber in zwei Fällen liegt die Aufführung 21 und 24 Jahre zurück. Doch Monsieur Thomas ist möglicherweise nicht so alt. Zwar wird John Fletcher als Verfasser ausgewiesen, aber ein anderer Bühnenschriftsteller, Richard Brome, schreibt und signiert die Widmung. Es ist nicht auszuschließen, dass Brome (wie es auch James Shirley bei einigen anderen Stücken tat) das Stück überarbeitet hat. Ebensowenig wie für Rule a Wife and Have a Wife sind Anzeichen zu erkennen, dass es sich um einen Raubdruck handeln könnte. Bei Rollo Duke of Normandy ist dies anders. Die Umstände, unter denen es in London 1639 gedruckt wird, deuten auf einen Raubdruck („piracy") hin. Es erscheint unter dem Titel The Bloody Brother; im Eintrag des Stationers' Register ist als Autor „J. B." angegeben, was vielleicht als „John Beaumont" aufzufassen ist, auf der Titelseite findet sich „written by B. J. F", vielleicht als „Beaumont and John Fletcher" zu lesen, was dann bedeutete, dass dem Verleger der Vorname Beaumonts entfallen war. Und außerdem handelt es sich um einen schlechten Text, der ein Jahr später in einer verbesserten Fassung unter dem Titel Rollo Duke of Normandy gedruckt wird, aber nicht in London, sondern auf der Universitätspresse in Oxford (auch Rule a Wife and Have a Wife wird das gleiche Jahr in Oxford gedruckt).

Wir halten jedoch fest, dass sich der wahrscheinliche Raubdruck in London NACH dem Brief Pembrokes vom 10. Juni 1637 ereignet.

Und zwei weitere dazu.

Exkurs : Strategien zur Umgehung des sogenannten „Stigmas des kommerziellen Drucks"

1920 bündelte A. W. Pollard einige seiner Essays unter dem Titel Shakespeare's Fight with the Pirates and the Problems of the Transmission of his Text. 1967 wurden sie in einem Band zusammen mit W. W. Greg (ed.), Shakespeare's Hand in The Play of Sir Thomas More neu aufgelegt (Erstausgabe Cambridge 1623).  Pollard verweist auf Barnaby Googe, der 1563 sein Werk Eglogues and Epitaphs veröffentlicht. In seinem Vorwort behauptet Googe, es sei gar nicht seine Absicht gewesen, das Werk zum Drucker zu bringen, das Manuskript sei jedoch in seiner Abwesenheit von einem Freund zum Drucker gebracht worden, dieser habe zwar noch nicht zu drucken begonnen, jedoch lägen Papierkosten so hoch, daß er, Googe, um dem armen Drucker nicht zu schaden, auf sein Recht verzichtet, sein Manuskript zurückzuverlangen. Was Pollard mit der Bemerkung quittiert: „Es ist interessant festzustellen, wenngleich wir keinen Nachdruck darauf legen brauchen, dass er davon ausgeht, er hätte sein Manuskript zurückfordern können..." (S. 30) Die Feststellung ist wirklich interessant, denn Googes Worte implizieren, dass er dies als Autor ohne weiteres hätte tun können - wofür es in den Aufzeichnungen der Stationers' Company mehrere Belege gibt. Interessant ist auch die „Story", die Googe erzählt. Im elisabethanischen Zeitalter geschah diese Art von „Pannen" häufiger. Ein Freund, der es mit einem abwesenden Autor „gut meinte" , brachte gegen dessen Willen ein Manuskript zum Drucker. Es war eine Taktik, sein Werk drucken zu lassen, ohne sich dem Vorwurf auszusetzen, den Druck selbst gesucht zu haben. Man sei ja durch die Umstände dazu gezwungen wurden.

Im Falle Von Sir Lewis Lewkenor war das Agens kein „wohlwollender Freund", sondern ein „nur auf Geschäfte bedachter Drucker" namens John Drawater, der ohne Wissen des Autors 1595 dessen Schrift zur Lage englischer Flüchtlinge unter den Spaniern veröffentlichte (A Discourse of the usage of the English fugityves by the Spaniardes). Noch im selben Jahr brachte Drawater dann eine vom Autor korrigierte Fassung unter einem etwas veränderten Titel heraus, The Estate of English fugitives under the king of Spaine, mit einem Vorwort, in dem Lewkenor erklärte, wie es zu dem von ihm nicht beabsichtigten Druck gekommen sei. „ Da ich vor fünf oder sechs Jahren mich in jenem Teil der Niederlande aufhielt, der unter der Herrschaft des spanischen Königs steht, und eine bedauernswerte Gruppe meiner unglücklichen Landsleute sah..., hielt ich es für empfehlenswert, sie davor zu warnen, welches geringe Ansehen, welche Not, Armut, Verachtung, Elend sie zu erwarten hatten. Dies vor Augen, schriebe ich von dort private Briefe an meine Bekannten, die entgegen meiner Absicht Kopien davon an Dritte weitergaben. Nicht lange danach zirkulierte in Paul's Churchyard [das Drucker- und Buchhändlerviertel] ein Diskurs, der Teile meiner Briefe verwertete. Aber soviele Dinge waren ausgelassen und soviele Dinge eingestreut, die ich nie geschrieben hatte, und letzlich soviel dem Sachverhalt wie dem Wortlaut nach falsch wiedergegeben und geändert, zudem mit Fiktionen gespickt, wie sie dem gemeinen Volk zu behagen pflegen, die aber jenen mit der tieferen Einsicht und dem besseren Urteilsvermögen zwangsläufig als Fabel erscheinen müssen... Weshalb ich es für nicht unangebracht hielt, die authentische Fassung (true copy") zu veröffentlichen... Die vorige Fassung (denn obwohl sie eingezogen worden ist, zirkulieren noch immer mehrere Exemplare) stammte von einem Kerl, der eine Kopie gestohlen hatte und sie in der Hoffnung auf Profit in den Druck schleuste; und jetzt, wo die Sache zur Prüfung ansteht, putzt er die Platte und kann nicht aufgefunden werden." (Aus Leo Kirschbaum. Shakespeare and the Stationers. S. 141-144).

Man kann Lewkenor abnehmen, dass sein Einspruch bei der Stationers' Company die Einziehung der ersten, nicht autorisierten (im Sinne von „nicht vom Autor genehmigten") Fassung zur Folge hatte - ein weiterer Beweis dafür, dass der Autor nicht ohne Rechte war. Was den Verdacht heraufbeschwört, es habe sich hier nur um eine Taktik gehandelt, seine Schriften zu drucken, ohne sich dem Vorwurf unstandesgemäßen Handelns auszusetzen, ist, dass er sich für die korrigierte Fassung an den gleichen „Übeltäter" Drawater wendete (er war, suggeriert er, auf der Suche nach ihm), denn es lassen sich Beispiele dafür anführen, dass Lewkenor durchaus einen Verleger seiner Wahl hätte beauftragen können (siehe unten). Im folgenden Fall des Francis Bacon werden einige Klischees wiederkehren: vor langer Zeit geschrieben, keine Druckabsicht, sondern für private Zirkulation bestimmt, die authentische Fassung („true copy")  verzerrt, mit irgendwelchen Zusätzen geschmückt.   

Am 24. Januar 1597 werden Francis Bacons Essays von Richard Sergier unter dem Titel  „Essayes of M. F.B. with the prayers of his Sovereigne" zum Druck angemeldet. Ergänzt wuden die Essays um die angeblichen Gebete der Königin. In der Marge findet sich der Vermerk „Cancellatur ista intratio/per curiam tentam 7 februarij", „Dieser Eintrag ist gelöscht worden/bei einer Sitzung des Gerichtshofs vom 7. Februar". Der Gerichtshof ist der „Court of Assistants", das Führungsorgan der Drucker- und Buchhändlergilde. „Court" ist hier in der doppelten Bedeutung von „Rat" und „Gerichtshof" zu verstehen  die das Wort vom Mittelalter bis in die Frühe Neuzeit hinein hatte  Legislative und Judikative wurden nicht streng geschieden. Der „Court of Assistants" übte innerhalb der Körperschaft tatsächlich rechtgebende und rechtsprechende Funktionen aus (die Gilde hatte sogar ein eigenes Gefängnis). Zwei Tage vorher, am 5. Februar, war das Werk neu eingetragen worden: nach Intervention Bacons. Der Eintrag vom 5. Februar auf Namen von Humphrey Hooper lautet: „Entred for his copie under the handes of Master FRAUNCIS BACON, master Doctor STANHOPE master BARLOWE, and master warden Dawson, A booke intituled Essaies, Religious meditations, Places of Persuasion and Dissuation by master FRAUNCIS BACON." Doctor Stanhope war ein Mitglied des Court of High Commission, des ekklesiastischen Gerichts, das über die religiöse Konformität urteilte. Barlow war ein episkopaler Zensor. Francis Bacon selbst war keines von beiden. Seine Autorität war die des Autors.  

Daran, dass diese gegen Sergiers Erstregistration eingewendete Autorität bei der Druckergilde erfolgreich sein würde, daran hat Bacon selbst nicht im Geringsten gezweifelt. Den Essays ist ein Brief an seinen Bruder Anthony beigefügt. Nachstehend das kommentierte englische Original.

To M. Antony Bacon his deare Brother,

"Loving and beloved Brother, I doe nowe like some that have an Orcharde ill neighbored, that gather the fruit before it is ripe, to prevent stealing. These fragments of my conceites were going to print; To labour the staie of them had bin troublesome, and subject to interpretation; to let them passe had been to adventure the wrong they mought receive by untrue Coppies or by some garnishments which it mought please any that should set them forth to bestow upon them."

Bacon schreibt, er handele jetzt wie einer, der einen Obstgarten hat, aber leider auch einen schlechten Nachbarn, der das Obst pflückt, bevor es reif ist, und dem Diebstahl vorbeugen will. Diese Fragmente von mir waren dabei, in den Druck zu gehen; den Druck zu stoppen wäre schwierig geworden und hätte Gegenstand von Interpretationen werden können; sie tatenlos durchgehen zu lassen hätte bedeutet, das Risiko einzugehen, dass ihnen durch unauthentische Fassungen („untrue copies") oder bestimmtes schmückendes Beiwerk, das jeder, der sie herausgibt hinzufügt, Unrecht widerfährt (vergleiche Sir Lewis Lewkenors „Fabel"). Der vordere und hintere Teilsatz sind klar: Ein Verleger, der böse Nachbar, hat sich eines der zirkulierenden Manuskripte bemächtigt und will sie drucken. Bacon hätte ein Auge zudrücken und nichts dagegen unternehmen können, aber, da Abschriften nicht immer originalgetreu sind, wäre damit die Gefahr verbunden gewesen, dass eine unauthentische Fassung erscheint oder nicht dazu gehörendes schmückendes Beiwerk („some garnishments") aufgepfroft wird, in diesem Fall die Gebete der Königin. Aber der mittlere Teilsatz „To labour the staie of them had bin troublesome, and subject to interpretation" dürfte nicht so klar sein. Ein „stay" in der Terminologie der Stationers' Company bedeutete eine Sistierung, eine Einfrierung des Eintrags. Dies geschah dann, wenn über die Verlagsrechte an einem Werk Unklarheit bestand, weil es nicht sicher war, ob nicht ein anderer Verleger bereits früher ein Recht daran erworben hatte oder auch ein Recht an einem Werk mit ähnlichem Inhalt besaß. Der Jurist Bacon kannte offenbar die Vorschriften der Stationers' Company. Ein „stay" wäre in der Tat schwierig geworden, weil ein solches früheres Recht nicht vorlag. Sergier war der erste, der die Essays registriert hatte, und nach den Vorschriften der Stationers' Company hatte er gegenüber alle anderen Verlegern das uneingeschränkte Recht, das Werk drucken zu lassen, wann er wollte. Außerdem hätte eine solche Haltung Interpretationen auslösen können. Bacon hätte den Verdacht auf sich laden können, dass es seine Absicht sei, Geld von Sergier zu verlangen. Als Hofmann konnte sich Bacon dies nicht leisten. Zwar war er in technischem Sinne kein Aristokrat, sondern ein „commoner", ein „Gemeiner", denn er war noch nicht einmal „knight", „Ritter". Aber der Begriff der gesellschaftlichen Elite umfasste nicht nur den hohen und niederen Adel, ja, er umfasste nicht einmal den ganzen Adel. Wer zur gesellschaftliche Elite gehörte, zur „guten Gesellschaft", wie es Norbert Elias nennt, wurde in erster Linie über das soziale Verhalten definiert, dadurch, dass man nach dem wesentlich aristokratisch geprägten Verhaltenskodex lebte. Und Bacon war der Sohn eines ehemaligen Lord Keeper, Sir Nicholas Bacon. Das Amt des Lord Keeper, des Lord Siegelbewahrers, war praktisch mit dem des Lord Chancellors identisch. Francis Bacon und sein Bruder Anthony, wenn auch im technischen Sinn keine Aristokraten,  ehörten zur gesellschaftlichen Elite.

Durch welche Lösung überwindet Bacon nun die Schwierigkeit?

„Therefore I helde it best discretion to publish them my selfe as they passed long agoe from my pen, without any further disgrace, then the weaknesse of the Author."

Deshalb hielt ich es für die beste Entscheidung, dass ich sie selbst herausgab, wie sie vor langer Zeit niedergeschrieben worden sind, ohne weitere Unzulänglichkeiten als die des Autors.

Das heißt: Bacon bringt sein Recht als Schöpfer des Werkes, als Autor zur Geltung!! Denn dadurch konnte er Sergiers Verlagsrecht außer Kraft setzen und selbst einen Verleger, Humphrey Hooper wählen. Dafür, dass bei unrechtmäßigem Erwerb eines Manuskripts gegen den Willen des Autors, der Verleger das Manuskript zurückzugeben hatte und der Autor einen Verleger seiner Wahl bestimmen konnte, gibt es in den Aufzeichungen der Stationers' Company noch ein paar andere Beispiele, von denen hier, da dies hartnäckig übersehen wird, zwei erwähnt werden sollen. Am 22. Dezember 1614  klagt Dr. John Hayward bei dem Court of Assistants gegen einen Verleger William Stansby und einen Drucker, der gegen seinen Willen ein Werk von ihm gedruckt haben. Es wird entschieden, dass Stansby die bereits gedruckten Exemplare und das Manuskript Dr. Hayward zurückgeben muss und dieser entscheiden kann, wie das Werk herausgegeben werden soll (Court Book C,  S. 70). Am 21. März 1629 wird ein anderer Verleger, der ohne Genehmigung des Autors John Downam, ein Theologe, dessen Werk drucken wollte, zur Rückgabe gezwungen. Der Verleger muss dem Autor das Werk zurückgeben, und der Autor kann entscheiden, welchem Verleger er die Herausgabe anvertraut. (Arber IV. 209).

Dann geht Bacon kritisch auf die Haltung ein, Veröffentlichung in Druck zu meiden.

„And as I did ever hold, there mought be as great a vanitie in retiring and withdrawing mens conceites (except they bee of some nature) from the world, as in obtruding them: So in these particulars I have played my selfe the Inquisitor, and find nothing to my understanding in them contrarie or infectious to the state of Religion, or manners, but rather (as I suppose) medicinable."

Und wie ich immer vertreten habe, mag darin, die eigenen geistigen Früchte, außer wenn es sich um eine gewisse Art handelt, vor der Welt verborgen zu halten, ebensoviel Eitelkeit liegen als darin, sie der Welt darzubieten. So habe ich denn in diesem besonderen Fall selbst den Inquisitor gespielt, und ich habe nichts darin gefunden, das dem Stand der Religion oder der Sitten zuwiderliefe oder schädlich wäre, sondern eher, wie ich annehme, solches, das heilsam ist.  

Darüber, was Bacon meint mit „geistigen Früchten einer gewissen Art", die der Welt verborgen bleiben können oder sollen, braucht man nicht zu rätseln. Es ist das, was Hofleute ihrer eigenen Aussage nach ihrer Freizeit vorzubehalten pflegen, „trifles", wie Sir Philip Sidney sagt, wie auch Shakespeare in seiner Widmung von Venus und Adonis sagt, wie es auch die Herausgeber der ersten Folioausgabe der Shakespearschen Bühnenstücke sagen; und wie es kein Ben Jonson, George Chapman, usw. je gesagt hat: Lyrik, Bühnenstücke, Satiren, kurz alles rein Literarische, für das der Hofmann weder Geld noch Ruhm beanspruchen sollte, wie es wiederum die Herausgeber der ersten Folioausgabe der Shakespearschen Bühnenstücke andeuten, denn außer dem Verhaltenskodex gehörte es zur Ideologie der aristokratischen Gesellschaft, sein Leben ganz in den Dienst an Fürst und Gemeinwohl zu stellen - so wie es am Ende des 12. Jahrhunderts bereits der Dienstmann Hartmann von Aue, der auch nur in seiner Freizeit zu dichten vorgab, gegenüber seinem Herrn hielt.

„Only I disliked now to put them out because they will bee like the late new halfe-pence, which though the Silver were good, yet the peeces were small."

Nur scheute ich, sie herauszubringen, weil sie wie die neuerlichen Halbpfennigstücke sein werden, die, obwohl das Silber gut ist, zu klein sind.

"But since they would not stay with their Master, but would needes travaile abroad, I have preferred them to you that are next to my selfe, Dedicating them, such as they are, to our love, in the depth whereof (I assure you) I sometimes wish your infirmities translated uppon my selfe, that her Majestie mought have the service of so active and able a mind, and I mought be with excuse confined to these contemplations and Studies for which I am fittest, so commend I you to the preservation of the divine Majestie, From my Chamber at Graies Inne this 30. of Januarie. 1597."

Da sie aber nicht bei ihrem Meister bleiben, sondern unbedingt hinaus wollten, habe ich es vorgezogen, sie, so wie sie jetzt sind, Euch zu widmen, der mir am nächsten steht, und unserer Liebe, deren Tiefe, so versichere ich Euch, mich manchmal wünschen lässt, dass Eure Gebrechen [Anthony Bacon war von Kindesbein an kränkelnd; er starb vier Jahre später im Alter von 43 Jahren] auf mich übergingen, damit Ihre Majestät in den Genuss der Dienste eines so regen und fähigen Geistes komme, und ich mich auf diese Betrachtungen und Studien beschränken kann, für die ich am besten geeignet bin. So empfehle ich Euch der Bewahrung durch die göttliche Majestät. Von meinem Zimmer in Gray's Inn, 30. Januar 1597.  

 „Your entire Loving brother,

 Fran. Bacon."  

Es bleibt schwer zu entscheiden, ob Richard Sergier wirklich „Falschspieler" war oder Mitspieler in einem taktischen Spiel Francis Bacons mit dem Ziel, die Essays drucken zu lassen, ohne sich dem Vorwurf auszusetzen, gegen den höfischen Verhaltenskodex zu verstoßen. Der Verdacht eines taktischen Spiels entsteht unweigerlich, wenn man die Chronologie der Ereignisse betrachtet. Am 24. Januar 1597 lässt Sergier die Essays registrieren. Nur sechs Tage später schreibt Francis Bacon den Brief an seinen Bruder Anthony, der als Vorwort zu den Essays erscheint. Er lässt darin keinen Zweifel bestehen, dass er von seinem Recht als Autor Gebrauch machen will, um Sergiers Verlagsrecht zunichte zu machen. Am 5. Februar erfolgt die neue Eintragung auf Namen eines anderen Verlegers, Humphrey Hooper. Am 7. Februar wird der Eintrag auf Sergier gestrichen. Und am 7. Februar war auch schon das erste Exemplar der Essays verkauft (A. W. Pollard., "Bibliographical Note," in The Essays Colours of Good and Evil & Advancement of Learning of Francis Bacon. Library of English Classics, London, 1900, p. vi; zitiert aus Leo Kirschbaum. Shakespeare and the Stationers, S. 128): 7 Tage nach Bacons Brief, nur 13 Tage nach Sergiers Registration.

King's Men (2)

Es bleiben 8 Autoren für 9 Stücke. All diese Autoren stehen höfischen Kreisen nahe.

2.1 Lord Berkeley: The Lost Lady

Es liegt augenscheinlich ein Raubdruck vor. William Berkeley, ein Günstling Karls I., später Baron Berkeley,  erster Gouverneur der Kolonie Virginia (von 1641-1652 und 1660-1677), schrieb das Stück The Lost Lady. Am 5. März 1638 wurde es von John Okes zum Druck angemeldet. Ein Name erscheint im Eintrag nicht. Der Druck erfolgte kurz darauf (falls es nicht bereits vor dem 5. März gedruckt wurde), denn die Titelseite, ohne Angabe des Namens, gibt das Jahr 1637 an. Nach der alten, immer noch üblichen Jahresrechnung begann das neue Jahr am 25. März. Am 24. September 1638 überträgt Okes die Rechte an John Colby. In diesem Eintrag ist der Name des Verfassers angegeben. Colby verlegt das Werk, Okes druckt es. Liegt hier wirklich ein Raubdruck durch Okes vor 0der war es nur Taktik, erst eine verderbte Fassung herausgeben zu lassen, um dann mit der Begründung den fehlerhaften Text durch einen authentischen zu ersetzen, eine zweite Fassung nachzuschieben? „Diese Einträge zeichnen Transaktionen auf, die bei den Geschäftsaktivitäten der Mitglieder der Stationers' Company häufig stattfinden. Man soll sich jedoch davor hüten, sie zu frei zu interpretieren. Dennoch legt die Tatsache, dass heute nur noch ein Exemplar des Stückes existiert, wie es von Okes, als er alle Rechte an ihm hatte, und die weitere Tatsache, dass dieses eine Exemplar das besonders interessante Merkmal aufweist, zahlreiche Korrekturen zu enthalten, von denen man zu Recht vermuten darf, dass sie mit der Zustimmung des Autors erfolgt sind, den Schluss nahe, dass diese Ausgabe eingezogen wurde. Sollte dies so sein, hätte Berkeley mit Colby die Herausgabe einer authentischen Fassung vereinbart und Okes wäre gezwungen worden, die Rechte an Colby abzutreten. Okes war allerdings auch der Drucker der zweiten Ausgabe." (Bald, R. C. "Sir William Berkeley's The Lost Lady" in The Library, Vol. XVII, No 4, March 1937, p. 395-426)

Was auch die richtige Interpretation sein mag, ein wirklicher oder ein vorgetäuschter Raubdruck, es ist der Autor, der ins Spiel kommt.

2.2 Henry Killigrew: Pallantus and Eudora (The Conspiracy)

Killigrew wurde nach der Restauration Kaplan des Herzogs von York (der spätere Jakob II.).

Am 13. März 1638 wird sein Stück unter dem Titel The Conspiracy eingetragen mit dem Zusatz „by...".  Offenbar wusste der Verleger nicht genau, wer der Autor war. Wie im Fall von Rollo Duke of Normandy, das zuerst unter dem reißerischeren Titel The Bloody Brother erschien, liegt auch hier die Vermutung nahe, dass ohne Wissen des Autors einen zugkräftigeren Titel gewählt wurde. Auf der Titelseite ist der Name nur leicht verunstaltet als HENRY KILLIGRAEVV (das doppelte „V" steht für „W") angegeben. Man hat wohl von einem Raubdruck auszugehen. Erst 1653 erscheint in einer sorgfältigeren Fassung eine zweite Auflage unter dem Titel Pallantus and Eudora. Der Name auf der Titelseite ist jetzt richtig geschrieben: HENRY KILLIGREW. Das Stück ist auch substantiell überarbeitet worden. Der Verleger schreibt eine Grußadresse an den Leser. Formal hat der Autor die Fassung von 1653 nicht selber ediert, aber seine Hand wird erkennbar.

Wir haben jetzt bereits 2, möglicherweise 3 Raubdrucke trotz des Schreibens vom 10. Juni 1637. Vor diesem Hintergrund mutet die einleitende Behauptung im Brief vom August 1641 des nächsten Lord Chamberlain unwirklich an.

2.3 Sir John Suckling: Aglaura und Brennoralt (The Discontented Colonel

Aglaura wurde am 18. April 1638 in das Stationers' Register eingetragen und im gleichen Jahr gedruckt. Im Eintrag ist der Name des Verfassers angegeben, auf der Titelseite nicht. In einer späteren Ausgabe im Jahr 1646 ist der Name angegeben. Die Aufführung des Stückes war äußerst kostspielig. Es heißt, das Suckling die Kosten für Szenenbild und Kostümierung restlos selber bestritten habe. Das Stück enthält einen Prolog und zwei Epiloge, einen an den König und einen an den Hof. Prolog und beide Epiloge sind auch in der 1638er Ausgabe enthalten. Es kann kein Zweifel bestehen, dass der Autor den Druck überwacht hat.

Im März 1641 wird der Earl of Strafford wegen Hochverrats verurteilt, am 12. Mai 1641 hingerichtet. Der Versuch, Strafford aus dem Tower zu befreien, den Sir john Suckling und einige andere unternahmen, muss zu irgendeinem Zeitpunkt dazwischen erfolgt sein. Der Versuch schlug fehl. Suckling floh nach Paris, wo er sich im Laufe des Jahres das Leben nahm.

An der Edition von Brennoralt, das unter dem Titel The Discontented Colonel am 5. April 1642 in das Stationers' Register eingetragen und im gleichen Jahr unter letzterem Titel gedruckt wird, beides unter Angabe des Namens des Verfassers, kann er nicht beteiligt gewesen sein. Es handelt sich dennoch um einen unverderbten Text. 1648 wird das Stück unter dem Titel Brennoralt neu aufgelegt.

2.4 Lodovick Carlell: Arviragus and Philicia (1st and 2nd part)

Das Stück wurde am 26. Oktober 1638 in Stationers' Register eingetragen und 1639 gedruckt. Ein Verfassername ist nicht angegeben. Carlell war ein Hofmann, dem die Aufsicht des königlichen Parks in Richmond anvertraut war. Nichts spricht für einen Raubdruck.

2.5 Jasper Mayne: The City Match

Es besteht kein Eintrag ins Londoner Stationers' Register, da das Stück in Oxford gedruckt wird. Auf der Titelseite erscheint kein Name, aber das Stück enthält einen Brief an den Leser, in dem „sich die Arroganz des Amateurs zeigt" (G. E. Bentley.The Profession of Dramatist in Shakespeare's Time 1590-1642, Princeton 1971, S. 132). Mayne erklärt darin, dass er erfahren habe, irgendein Verleger in London wolle das Stück in einer unauthentischen Version drucken, und um zu vermeiden, durch sein eigenes Werk zuschanden zu kommen, habe er dem Druck einer von ihm genehmigten Fassung in Oxford zugestimmt. Wodurch Mayne befürchtete „zuschanden zu kommen", ob durch einen schlechten Text oder durch einen kommerziellen Druck oder beides, ist unklar.

2.6 William Cartwright: The Royal Slave

Das Stück wird vor König und Königin im August 1636 von Studenten der Universität Oxford aufgeführt, später von den King's Men im Blackfriars-Theater. Weder auf der Titelseite der ersten Ausgabe noch der 1640 ebenfalls in Oxford gedruckten zweiten Ausgabe erscheint der Name des Verfassers, wohl aber auf der Titelseite der acht Jahre nach Cartwrights Tod 1651 in London gedruckten dritten Ausgabe.

Kein Raubdruck, sondern alle Indizien sprechen für eine vom Verfasser autorisierte Ausgabe.

2.7 William Habington: The Queen of Aragon

Eintragung in Stationers' Register am 4. April 1640 unter Angabe des Namens des Autors. Kein Name auf der Titelseite.

2.8 Sir John Denham: The Sophy

Das Stück wird zusammen mit Denhams Gedicht Cooper's Hill in das Stationers' Register eingetragen. Der Name des Verfassers ist angegeben. Sowohl das Gedicht als das Stück werden 1642 gedruckt. Auf der Titelseite erscheint der Name des Autors nicht. Das Gedicht Cooper's Hill wird 1655 in einer gründlich veränderten Fassung neu herausgegeben. Aufgrund des Vorworts des anonymen Herausgebers J.B. dieser Fassung ist lange Zeit angenommen worden, dass die 1642er Ausgabe ein Raubdruck gewesen wäre. Brendan O'Hehir ("Lost," "Authorized," and "Pirated" editions of John Denham's Cooper's Hill" in PMLA, Vol. LXXIX, 1964, pp. 242 - 253) hat diese Vermutung überzeugend entkräftet.

Für das Stück The Sophy ist eine solche Beweisführung überflüssig. 1668 autorisierte Sir John Denham formell die Ausgabe seiner Werke. Das Stück ist darin in einem unveränderten Text enthalten.

FAZIT

Mögliche, gar wahrscheinliche Raubdrucke sind nur wenige nachweisbar, und sofern nachweisbar, NACH den Briefen vom 3. Mai 1619 und 10. Juni 1637.

Wenn das eigentliche Anliegen der beiden Schreiben darin bestand, die Kontinuität eines Zuständigkeitsanspruchs für ein Amt zu sichern, war diesem Anliegen mit je einem während einer Amtsperiode an die Stationers' Company gerichteten Schreiben, in dem dieser Anspruch zum Ausdruck gebracht wird, Genüge geleistet.

Wenn das Anliegen war, die Wahrung der Rechte der Schauspielertruppe an den Stücken zu sichern, so war diesem Anliegen nicht Genüge geleistet, denn nichts geschah, als nach den beiden Schreiben tatsächlich einige, wenn auch sehr wenige Raubdrucke erschienen. Und in diesen Fällen wurden die Autoren, sofern noch am Leben, selber tätig. Was nicht verwundern kann: die Autoren hatten einen Status bei der Stationers' Company, der Besitz der Stücke der Schauspielertruppe begründete nicht einmal ihr Recht auf ausschließliche Aufführung, sofern nicht ein besonderer Vertrag wie im Fall Richard Brome bestand, aber auch dann war es der Autor selbst, dem im Vertrag aufgetragen war, bei der Stationers' Company Einspruch einzulegen, sollte sich ein Verleger anschicken, eines seiner dem Ensemble des Salisbury Court vorbehaltenen Stücke zu drucken.

Zwar waren die Schauspieltruppen „Besitzer" („possesors") der Stücke, sie waren aber nicht die „Eigentümer" („owners").  Eigentum, präzisiert William Holdsworth, ist ausschließlich, ist eben „eigen" und gilt gegen alle Welt, Besitz nicht. Der „Besitz" der Stücke durch die Schaupieltruppen war nicht gültig „gegen alle Welt", zum Beispiel nicht im Verhältnis zur Drucker- und Buchhändlergilde, der „Stationers' Company". Es ist angebracht, Holdsworth im Originalton zu zitieren.

„Ownership and possession are sufficiently familiar topics in mature systems of law. Such systems of law regard ownership as the relation of a person to a thing which gives to the person indefinite rights enforceable at law to or over the thing. Possession, on the other hand, expresses the physical relation of control exercised by a person over a thing. The possessor may or may not be the owner, according to whether or not this physical relation of control has been constituted under conditions to which the law annexes the rights of ownership. If in all cases where such physical control existed the law annexed the right of ownership, the law relating to possession would merge into the law relating to ownership. But this is not the case." (Holdsworth, W. S. A History of English Law. Fifth edition 1931 (first edition 1903). London: Methuen & Co. Ltd. Vol. I, p. 88).

© 2010 R.Detobel

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