Shapiro-Tagebuch (21) Sonett 111

1. O for my sake do you with Fortune chide,
2. The guilty goddess of my harmful deeds,
3. That did not better for my life provide,
4. Than public means which public manners breeds.
5. Thence comes it that my name receives a brand,
6. And almost thence my nature is subdued
7. To what it works in, like the dyer's hand:
8. Pity me then, and wish I were renewed,
9. Whilst like a willing patient I will drink,
10. Potions of eisel 'gainst my strong infection,
11. No bitterness that I will bitter think,
12. Nor double penance to correct correction.
13. Pity me then dear friend, and I assure ye,
14. Even that your pity is enough to cure me.

Prosaische Nacherzählung:

Meinetwegen schimpfst du mit Fortuna, der schuldigen Göttin meines schädlichen Tuns, die nicht besser für mein Dasein sorgte als durch öffentliche Mittel, was öffentliche Manieren erzeugt. Daher kommt es, dass mein Name ein Brandmal erhält und daher ist meine Natur nahezu dem unterworfen, in dem es wirkt, wie des Färbers Hand. Bemitleide mich dann und wünsche, ich wäre erneuert, während ich wie ein williger Patient jede Menge Essig gegen meine schwere Infektion trinken werde; nichts Bitteres wird mir zu bitter dünken, auch nicht Strafe auf Strafe, um die Besserung weiter zu verbessern. Bemitleide mich denn, lieber Freund, und ich versichere Dir, dass dein Mitleid eben zu meiner Heilung reicht.

Vendler weist auf die stilistische Strategie hin, „th"-Wörter und „w"-Wörter zu wiederholen.

Zeile 2: The guilty goddess
Zeile 3 : That did not
Zeile 4: Than public means
Zeile 5: Thence ... that
Zeile 6: Almost thence
Zeile 8: Pity me than
Zeile 10: No bitterness that
Zeile 11: Even that

„w"- Wörter:

Zeile 1: with
Zeile 4: which
Zeile 8: what, works
Zeile 9: wish, were
Zeile 10: whilst, willing, will

Vor allem die „w"-Wörter wirken wie eine instrumentale Begleitung zur Hauptaussage in den ersten acht Zeilen dar, die man als eine Variation des soziologischen „Guazzoschen Gesetzes" bezeichnen kann: „Du wirst zu dem, mit dem du gesellschaftlich verkehrst" (siehe Beitrag 18). Und du wirst dazu durch die Macht der Wiederholung, die sich in Gewohnheit kristallisiert. Die Wiederholung wird durch die Kette von „w"-Wörtern klanglich untermalt. Der stilistische Perfektionismus, die aus dieser Technik, durch eine Alliteration ein Bild, eine Aussage bis in die reine Tonalität hineinzutragen, ist kennzeichnend für Shakespeare. Beispiele dafür gibt es auch in anderen seiner Sonette.

Man findet diese Technik auch bei Edward de Vere, zum Beispiel im Sonett „Love thy choice", in dem sechs der ersten acht Zeilen mit „who" anheben, während dieses „who" noch zweimal vorkommt (zusammen mit anderen „w"-Wörtern).

Auch die kaskadenhafte Verwendung von „th"-Wörtern lassen sich bei Edward de Vere nachweisen, etwa in „A Lover Rejected, Complaineth", das so beginnt:

The trickling tears that fall...
The secret sighs that...
The present pains perforce that...

Und in der dritten Strophe desselben Gedichts:

The stricken deer...
The haggard hawk...
The strongest tower...
The wisest wit...
Dies nur en passant.

Zum Inhalt von Sonett 111:

Mehrere Kommentatoren (u.a. Katherine Duncan-Jones in der 1997er Arden-Ausgabe der Sonette) glauben in den ersten acht Zeilen eine Klage Shakespeares über seinen niedrigen sozialen Status als Schauspieler zu erkennen - eine mehr als nur plausible Annahme. Aber es tauchen doch einige Fragen auf. Und Fragen sind da, um gefragt zu werden. Sie werden zweisprachig gestellt.

A.

„That did not better for my life provide
Than public means, which public manners breeds."

"Die nicht besser für mein Dasein sorgte als durch "öffentliche" Mittel, was öffentliche Manieren erzeugt."

Die „public means" sind das Einkommen aus dem „public stage", zu dem man auch die sogenannten „privaten" Theater zu zählen hat, in dem auch vor den Augen der Öffentlichkeit gespielt wurde, wenn auch einer selekteren und kleineren. Man muss sich aber doch fragen, warum Shakespeare aus Stratford, der durch das Theater zum Wohlstand gelangt sein soll, sich über den Weg zum Wohlstand beklagte. Doch was verbietet die Annahme, dass er sich gleichwohl etwas Besseres geträumt hätte? Sich nach einem höheren sozialen Status sehnte? Es ist schwer, wenn nicht unmöglich, das zu wissen, so dass man einer solchen Annahme kaum widersprechen kann.

Doch warum beklagt er sich darüber, dass die Schauspielerei bei ihm „public manners" erzeugt hat? Es ist nicht einzusehen, was „public means" anders bedeuten soll als Einkommen aus dem „public stage", doch in „public manners" wechselt „public" offensichtlich die Bedeutung. Hier bedeutet es im Sinne von Tacitus (siehe Beitrag 20) und Sir Thomas Elyot die Sitten der „vulgar multitude", der Masse der Gemeinen. Dazu gehörte auch eine andere Erwerbstätigkeit Shakespeares aus Stratford: sein Handel. „Aktive persönliche Beschäftigung als Händler oder in einem Beruf galten generell als erniedrigend... 'In allen Epochen und Nationen haben Händler als unwürdig gegolten', so lautet 1669 das schroffe Urteil von Edward Chamberlayne." (Lawrence Stone, The Crisis of the Aristocracy 1558-1641, Oxford 1965, S. 39-40). Und dann...

B.

"And almost thence my nature is subdued
To what it works in, like the dyer's hand."

„Und daher ist meine Natur nahezu dem unterworfen,
In dem es wirkt, wie des Färbers Hand."

Kann man das anders verstehen, als dass der Dichter glaubt, das, was auf seine Natur abfärbt, ließe sie anders als in ihrem ursprünglichen Zustand, als seine wahre Natur erscheinen? Dass Shakespeare aus Stratford früher, bevor er in die Welt des Theaters eintrat, eine andere, höhere (soziale) Natur die seine nennen konnte?

Wofür allerdings so gut wie nichts spricht.

Wiederum kann man die Annahme treffen, er habe diese „bessere", „höhere" soziale Natur als Ideal in seiner Vorstellung gepflegt. Sagt der Dichter: „Aus mir hätte etwas soviel Besseres werden können als das, was ich geworden bin"? Oder sagt hier ein Dichter: „Aus mir ist etwas Schlechteres geworden als das, was ich war"?

C.

„Thence comes it that my name receives a brand"

„Daher kommt es, dass mein Name ein Brandmal erhält"

Hier dann muss man sich schon am reinsten Alkohol der haltlosen Wiederholung besinnungslos berauschen, um am Bungeeseil des Es-wäre-doch-denkbar furchtlos noch tiefer zu fragen... und schmerzlos am schweren Stein des Anstoßes, der das Epigramm von John Davies of Hereford ist, zu zerschellen.

Diesem Epigramm wenden wir uns zu. Es beantwortet diese letzte Frage. Gar recht klar.

© Robert Detobel 2010