Frage 50

Gibt es irgendwelche sachlichen Einwände gegen die Annahme, dass der Earl of Oxford die Shakespeare zugeschrieben Werke geschrieben hat?

[Alan Nelson, Professor Emeritus der Abteilung für Englisch an der University of California, Berkeley, zu dessen Büchern auch „Monstrous Adversary: The Life of Edward de Vere, Seventeenth Earl of Oxford" (Liverpool University Press, 2003), gehört, antwortet für den SBT]

Argumente, die Edward de Vere, 17. Graf von Oxford, mit Shakespeare verbinden wollen, schlagen den Tatsachen und der Logik ins Gesicht.

Oxford war ein Dichter, aber die Poesie seines Erwachsenenalters ist so anders als die Shakespeares und so frei von literarischem Genie, dass auch seine Anhänger sie als sein "Jugendwerk" bezeichnen.

Oxford förderte von 1580 bis 1602 seine eigene Schauspieltruppe. Wenn er Spiele für die professionelle Bühne schrieb - und es gibt keine Beweise dafür, dass er das tat - hätte er nicht für eine konkurrierende Truppe geschrieben.

Oxford schrieb, wie berichtet wird, Komödien - es sind alle verlorengegangen - aber keine Historien oder Tragödien. Er widmete seine letzten Jahre nicht seinem literarischen Vermächtnis, sondern dem Zinn-Bergbau in Cornwall. Sein Tod im Jahre 1604 war viel zu früh für Macbeth, König Lear, Das Wintermärchen und Der Sturm.

Während Oxford ein Leben mit dramatischen Ereignissen führte, widerspricht sein sinnloses Abschlachten eines glücklosen Kochgehilfen und die Beschimpfung seiner Frau in den letzten Monaten ihrer fünften Schwangerschaft Shakespeare Sympathie für Knechte und Frauen.

Die Verschwörungstheorie, die Oxford zum Sohn von Prinzessin Elizabeth und durch Inzest zum Vater des Grafen von Southampton macht, beruft sich auf einen englischen Hof und auf eine Kultur, die in die Geschichte und für Historiker unbekannt ist.

Erwiderung:

Professor Nelson, ein Paläograph (weder Historiker noch ein Experte für englische Literatur), missversteht die Belege und stellt unsere Argumente falsch dar, was Stratfordianer häufig tun.
Die meisten von Oxfords erhaltenen Versen stammen nicht aus seinem Erwachsenenalter und zeugen von Genie. Acht der sechzehn Gedichte, die mit Oxfords Namen erhalten geblieben sind, hat er im Alter von sechzehn Jahren geschrieben, und der Rest stammt aus seinen Zwanzigern - lange bevor die ersten Werke Shakespeare erschienen sind. Sein Stil könnte sich leicht über die Jahre zu Shakespeares Stil entwickelt haben. Professor Steven May, ein führender Experte, bezeichnete Oxford "als den ersten höfischen elisabethanischen Dichter" und "den wichtigsten Innovator im breite Spektrum seiner Themen und der Vielfalt seiner Ausführungen ...", diese Einschätzung beruht zum größten Teil auf den acht Gedichten, die er im Alter von sechzehn Jahren schrieb! * Weitere anerkannte Experten haben seine Gedichte bewundert und mehrere finden sich in Gedichtanthologien.

Oxford wurde von seinen Zeitgenossen als der beste der elisabethanischen höfischen Dichter gepriesen. Einer von ihnen sagte: "Ich kenne sehr viele bemerkenswerte Herren am Hof, die sehr Anerkennenswertes geschrieben haben und es dann wieder verschwiegen haben oder aber daran litten, dass es ohne ihren eigenen Namen veröffentlicht wurde." Oxford stand auch am Anfang einer Liste von denjenigen, die "hervorragend geschrieben haben, was sich zeigen würde, wenn ihre Werke mit den anderen bekannt gemacht würden" ** Lange, nachdem Oxford gestorben war, wurde er als erster auf einer Liste der sechs besten Dichter des elisabethanischen Zeitalters genannt - einer Liste, die den Namen "Shakespeare" nicht enthält! Könnte dies deshalb sein, weil der echte Shakespeare bereits auf der Liste stand, vielleicht als der erste Name auf ihr? ***

Oxfords Gedichte enthalten sehr wohl Anklänge an Shakespeare. Eines ist in der Form, die heute als "Shakespeare-Sonett" bekannt ist. Doch die Stratfordianer behaupten, seine Gedichte hätten keinerlei Ähnlichkeit mit denen des Dichters. Seine Gedichte sind "Jugendwerke". Solche fehlen aber für Shakespeare, obwohl er sein Können sicherlich auch erst lernen musste. Behauptungen, dass Oxford als Autor durch stilometrische Beweise "eliminiert" würde, werden von Oxfordianern bestritten. ****

Oxford war ein Mäzen von verschiedenen Schauspieltruppen sowohl mit Erwachsenen Schauspielern als auch mit Kindern, aber es gibt keinen Grund anzunehmen, sie müssten seine Stücke inszeniert haben, wenn er seine Identität als Dramatiker geheim hielt. Er hätte sie von einer Truppe inszenieren lassen können, mit der er nicht eng verbunden war.

Oxford wurde als „Bester unter uns für Komödien" gepriesen. Niemand kann sagen, diese seien "verloren", nur, dass sie nicht unter seinem Namen bekannt sind. Vielleicht unter Shakespeares Namen?
Es bedeutet dies auch nicht, dass er keine Historien und Tragödien geschrieben hat. Dies folgt keineswegs aus der Aussage. Was wir wissen, ist, dass Francis Meres Oxford im Jahr 1598 als "den Besten für Komödien" nennt. Punkt.

Die Stratfordische Datierung der Stücke beruht auf einem Zirkelschluss. Sie geht davon aus, dass  S h a k s p e r e  der Autor war, und verteilt dann die Stücke auf seine Lebenszeit ohne konkrete Nachweise. Es gibt keine definitiven Beweise, dass eines der Stücke später als 1604 entstanden ist, auch keine Beweise für eine "Kooperationen."

Bekannt gewordene literarische Quellen für die Stücke reichen nur bis 1604, und der Strom neuer Quartos verringert sich auffallend. Wie bei stilometrischen Beweisen, bleibt die Datierung der Stücke sehr umstritten *****. Die Entstehungsdaten können nur in gewisse Bereiche eingegrenzt werden, aber alle könnten vor 1604 geschrieben worden sein. Stratfordianer können nicht erklären, warum der Autor an der Veröffentlichung seiner Sonette nicht beteiligt war. Die Antwort, die von vielen Indizien unterstützt wird, ist, dass er 1609 bereits verstorben war.

Nichts zeigt, dass Oxford "seine letzten Jahre dem Zinn-Bergbau in Cornwall gewidmet hat." Er war nicht in Cornwall und er hat nie eine Zinn-Mine besessen, verwaltet oder besucht. Wir haben zwei Dutzend Briefe und Memos aus fünf Jahren, in denen er die Einnahmen aus den Minen analysiert und von der Königin einen Anteil daraus erbittet. Sie hat ihm oft entsprechende Vorteile versprochen. Die "Zinn-Minen Briefe" haben ihn in keiner Weise an der Überarbeitung alter Spiele oder dem Schreiben von neuen während der letzten 14 Jahre seines Lebens gehindert, dem Zeitraum, in dem so viele Stücke geschrieben worden sein sollen.

Oxford hat nicht „gedankenlos einen unglücklichen Kochgehilfen abgeschlachtet" - eine weitere unglaubliche Verzerrung und Übertreibung. Im Alter von siebzehn Jahren verletzte er bei einer Fechtübung im Freien mit seinem Florett offenbar die Oberschenkelarterie des Kochgehilfen. Der Gerichtsmediziner entschied, dass der Kochgehilfe betrunken gestolpert war und auf die Spitze von Oxfords Degen fiel. Was genau passiert ist, ist umstritten und wird wahrscheinlich nie genau bekannt werden. „Gedankenloses Abschlachten" ist eine reine Mutmaßung. Oxford wurde niemals bestraft.

Die überlieferten Berichte sagen nichts darüber, warum Oxford seine schwangere Frau beschimpft hat, aber angesichts seiner stolzen, launenhaften und exzentrischen Persönlichkeit ist es sicherlich nichts, was ihm nicht hätte passieren können. (Frau eines Edelmannes oder Königs zu sein, konnte sehr schwierig sein.) Aber es disqualifiziert ihn nicht. Zeigt  S  h a k s p e r e  "Sympathie" für seine Frau, indem er ihr nichts anders hinterlässt außer seinem zweitbesten Bett? Disqualifiziert dies 
S ha k s p e r e   als Autor? Wenn nicht, dann misst Nelson mit zweierlei Maß.

Die beiden unglücklichen Episoden, die Nelson erwähnt, stehen nicht im Widerspruch zu Oxford als Shakespeare, vielmehr sind diese Eigenschaften, die Oxford nach Nelsons Meinung disqualifizieren sollen, typisch für das Temperament eines literarischen Genies. Sie sprechen für und nicht gegen Oxford. Wie die meisten Stratfordianer ignoriert Nelson die wissenschaftlichen Untersuchungen bezüglich Kreativität und Genialität. Die Stücke sind voller Beispiele von Männern wie Oxford:  sie misshandeln Frauen und bereuen es später. Der Sturm endet damit, dass uns der Autor mit berühmten Worten um Gnade für seine "Verbrechen" bittet. Genies haben oft viel aus ihrem Leben zu bereuen, was sogar ein Motiv für das Schreiben sein kann. (Siehe in Anhang A, "Schlüsselfrage 3", die Zusammenfassung der relevanten empirischen Daten).

Wie Nelson bekannt ist, wird die sogenannte "Prince Tudor"-These, die in Anonymous zu sehen ist, von den meisten Oxfordianern nicht akzeptiert und sie ist für den Fall „Oxford als Autor" ohne Bedeutung. Die meisten Oxfordianer halten sie für unvereinbar mit den historischen Fakten und lehnen sie entschieden ab. Die führende Oxfordianische Organisation in Großbritannien weist PT-Szenarien auf ihrer Website zurück. So haben wir am Schluss eine Aussage von Professor Nelson, der die meisten Oxfordianer zustimmen.

* Steven W. May, Ph.D., The Elizabethen Courtier Poets, Pegasus Press, 1999, Seite 54.
** George Puttenham? (zuerst anonym veröffentlicht) The Arte of English Poesie, 1589.
*** Henry Peacham, The Compleat Gentleman, London, Constable, 1622.
**** John M. Shahan & Richard F. Whalen, "Apples to Oranges in Bard Stylometrics: Elliott and Valenza fail to eliminate  Oxford," The Oxfordian, Vol. IX, 2006, pp. 113-125. (See also subsequent articles in The Oxfordian in Vols. X, 2008, XI, 2009, and XII, 2010)
***** De Vere Society, Kevin Gilvary, Hrsg., Dating Shakespeare's Plays: A Critical Review of the Evidence. Parapress, U.K., 2010.

Die Antwort auf Frage 50 wird von den folgenden Oxfordianischen Organisationen unterstützt:

- De Vere Society of Great Britain
- Shakespeare Fellowship
- Neue Shake-speare Gesellschaft
- Shakespeare Oxford Society

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