Frage 61

 Was war Shakespeares Haltung gegenüber dem Königshaus?

[Seine Königliche Hoheit, Charles, Prince of Wales: Der Prinz von Wales ist Präsident der Royal Shakespeare Company]

King Henry V, King Henry IV Teil 1 und 2, die drei Teile von King Henry VI, King Richard II, King Richard III, King John, King Lear... offensichtlich war Shakespeare vom Königstum fasziniert. Das Großartige ist, dass seine Könige, die die ganze Bandbreite von Heiligem bis zum Schurken abdecken, vom Schwächling bis zum Helden, als fehlbare menschliche Wesen verständlich sind.

Shakespeares Ensemble trat am Hofe Königin Elisabeths drei- bis viermal im Jahr auf und mindestens dreimal so oft vor König Jakob I. Nur wenige Tage nach seiner Ankunft aus Schottland in London gewährte er dem Ensemble eine königliche Lizenz, so dass sich die Schauspieler fortan als „Diener des Königs" bezeichnen durften. Sie wurden zu „Grooms of the Chamber" („Kammerdiener ") ernannt und trugen bei ihren Auftritten am Hof eine prächtige rote Livree.

Als ich auf der Schule die Rolle des Macbeth spielte (Gordonstoun liegt circa zehn Meilen der „öden Heide" entfernt, wo Macbeth und Banquo den Hexen begegnen), war mir nicht wie heute bewusst, dass Jakob I. von der Hexerei fasziniert war und seine Abstammung auf Banquo zurückführte. Shakespeare war nicht völlig gefeit gegen jede Schmeichelei, wenn es um Königliches ging.

Es kann als sicher gelten, dass sich Shakespeare und sein König gut gekannt haben.

Erwiderung

Wir stimmen damit überein, dass Shakespeare vom Königstum fasziniert war und er die verschiedenen Könige als fehlbare menschliche Wesen porträtiert. Etliche der englischen Königsdramen gehörten zu seinen frühesten Stücken, von denen angenommen wird, dass er sie kurz nach seiner Ankunft in London schrieb. Wir wissen, dass die Holinshed's Chronicles die Hauptquelle dieser Stücke bildeten. Aber wie brachte es die „upstart crow" („die emporstrebende Krähe") zustande, eine Welt, die so grundverschieden von der eigenen war, so bald nach seinem Eintreffen in London mit soviel Einsicht zu schildern? Wir neigen eher zu der Annahme, das wäre nur in dem Maße möglich gewesen, wie er nach und nach Zugang zu diesen Kreisen erhielt. Nicht dass ein Gemeiner dazu nicht in der Lage gewesen wäre, aber es erscheint uns schwer vorstellbar, dass er dazu in so kurzer Zeit fähig geworden wäre. It's incredible that it happened so soon.

Und wenn er Zugang zum Hofe hatte, wieso, anders als zum Beispiel Ben Jonson, erscheint sein Name kein einziges Mal in den Hofchroniken (abgesehen von der glänzenden roten Livree, die er und seine Schaupielerkollegen für die Krönungsprozession im März 1604 erhielten)? Uns ist auch kein Stück bekannt, in dem er vor Königin Elisabeth I. oder König Jakob I.  aufgetreten wäre, wie in der Declaration of Reasonable Doubt bemerkt worden ist:

"... es existiert kein Beleg, aus dem hervorginge, das Elisabeth I. oder Jakob I.  auch nur ein einziges Mal zu oder über Shakespeare gesprochen hätten ..."

Gewiss gibt es Stimmen, die dafür halten, dass das Fehlen solcher Belege in einer längst vergangenen Zeit nichts Ungewöhnliches seien, aber für Schriftsteller weitaus geringerer Bekanntheit existieren solche Dokumente. Wieso nicht für den führenden Dramatiker der King's Men, der angeblich im Zenit seiner Karriere stand? Kein informierter Bühenschrifsteller würde es gewagt haben, ein Stück wie Macbeth zum Wohlgefallen König Jakobs zu schreiben. Aus Schottland kommend, war Jakob I. am Anfang seiner Regierung unsicher und ängstlich auf dem englischen Thron.

Zudem gab es zwischen Engländern und Schotten mehr als nur Animositäten. Ben Jonson und George Chapman mussten dies zu ihrem Leidwesen erfahren, als sie sich wegen einiger spöttischer Auslassungen über die Schotten in ihrem gemeinsam mit John Marston geschriebenen Stück Eastward Ho! im Gefängnis wiederfanden. Es dürfte Eurer Hoheit nicht gänzlich entgangen sein, dass solche Reibungen bedauerlicherweise heute noch nicht völlig aus der Welt geschafft worden sind.

Er fürchtete Hexen und würde ein Stück nicht sonderlich geschätzt haben, in dem ein schottischer König in seinem Schlaf von einem vermeintlich treuen Gefolgsmann nicht zuletzt aufgrund der Andeutungen von Hexen ermordet wurde. Viele vor Jakob I. aufgeführte Stücke sind verzeichnet: nicht aber Macbeth.

Shakespeare und sein König mögen einander gut gekannt haben, aber wer war Shakespeare?

Ehrerbietigst,

Die Zweifler an Shakespeares Verfasserschaft

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