Frage 7

Gibt es klare Verbindungen zwischen Shakespeares Dramen und der Gegend um Stratford-upon-Avon?

[David Kathman, unabhängiger Wissenschaftler und Mitbegründer der Shakespeare Authorship Web-Seite, antwortet für die SBT.]

Shakespeare schrieb seine Stücke in erster Linie für ein Londoner Publikum, aber sie enthalten viele Anzeichen dafür, dass der Autor aus der Gegend um Stratford-upon-Avon kam. Sie sind mit Dialektwörtern aus Warwickshire und den West Midlands gespickt, wie "wappered", was „müde" bedeutet, und "Geck", was „Narr" bedeutet. Aber es gibt auch viele konkrete Hinweise auf Personen und Orte aus dem Gebiet um Stratford, wie in 2 Heinrich IV, wo Silence zu Falstaff ruft: "Goodman Puff von Barson" und sich auf ein Dorf in Warwickshire bezieht. Die Einleitung zu Der Widerspenstigen Zähmung ist voll von solchen Anspielungen, einschließlich Barton-on-the-Heath, wo Shakespeares Tante und Onkel lebten, und "Marian Hacket, das fette Alewife von Wincot", bezieht sich auf ein Dorf vier Meilen von Stratford entfernt, wo in den 1590er Jahren eine Hacket-Familie lebte. Diese Verweise stehen im Einklang mit den häufigen ländlichen Bildern in den Stücken, was Shakespeares lebenslange Vorliebe für das Gebiet zeigt, in dem er aufgewachsen ist.

Erwiderung:

Genauso wie auf seiner mit Fehlern durchsetzten Website, liegt David Kathman auch hier wieder völlig falsch. Tatsächlich bilden Warwickshire- und West-Midlands-Bezüge und Dialektwörter eine deutliche Minderheit unter den Orten und Personen, auf die der Autor sich bezieht, und in den Sprachformen, die er benutzt. Die überwältigende Mehrheit der Orte spielt an Königshöfen, Schlössern, Herrenhäusern und in den damit verbundenen Wald- und Parklandschaften, vor allem in England, Frankreich und Italien. Es gibt mehr Hinweise auf St. Albans in Hertfordshire als auf die Gegend um Stratford. Das gleiche könnte in vielen Teilen von England gesagt werden. Stratford steht ganz unten auf der Liste.

Trotz der Tatsache, dass Appleton Morgan im Jahr 1900 überrascht war, nicht ein einziges Warwickshire-Wort in Venus und Adonis zu finden, wurde die Ansicht, dass  S h a k s p e r e  Shakespeare war, weiterhin durch die falschen Behauptungen über typische Dialektwörter aus Warwickshire verstärkt. Diese gehen offensichtlich auf C. T. Onions zurück, der im Jahr 1911 irrtümlich behauptet hat, 24 Wörter aus Warwickshire in den Stücken identifizieren zu können.

"Mobled" zum Beispiel (in Bezug auf die verzweifelte Königin des Priamos in Hamlet), von dem Onions sagte, es sei ein Warwickshire-Wort für "gedämpft", ist eigentlich ein Herefordshire Begriff für "zerzaust". "Ballow" und "batler" waren fehlerhafte Lesungen, während andere Beispiele, die er nannte, sich als nicht spezifisch für Warwickshire erwiesen. Das archaische "tarre" in König Johann, im Sinne von "zu drängen auf", wurde in London und Warwickshire verwendet. Bezeichnenderweise wurde Onions Liste nicht mehr in die 1986 überarbeitete Auflage seines Buches aufgenommen.

Fripp argumentierte im Jahr 1938, dass "kisse" und "sonne" aus der First Folio spezifische Warwickshire Schreibweisen wären. Tatsächlich wurden diese Formen aber überall im elisabethanischen England gefunden. Ebenso war "Cotsall" fälschlicherweise als eine lokale Version von "Cotswolds" identifiziert, tatsächlich ein Staffordshire-Holz, "Codsall," noch heute örtlich „Cotsall" ausgesprochen. (Zu "Cotswolds" siehe Frage 8. Anm des Übersetzers.)

Kokeritz hat im Jahr 1953 anerkannt, dass der in Shakespeares Werken enthaltene Akzent nicht der von Warwickshire ist. Brook bestätigte dies, als er bemerkte, dass die umgangssprachlichen Wendungen, die der Dramatiker verwendete, hauptsächlich den Gebrauch im Südwesten und in London spiegeln.

Yorkshire, East Anglia, Schottland und Irland haben wesentlich zu Shakespeares Wortschatz beigetragen. Der moderne Linguist David Crystal stellt fest, dass die "ursprüngliche Aussprache" bei Aufführungen von Romeo und Julia und Troilus und Cressida im Globe keine Spuren des Akzents aus Warwickshire enthält. Wie A. J. Pointon bemerkt: "Von allen Regionen Großbritanniens, ... hatte Warwickshire den geringsten Einfluss auf Shakespeares Sprache."

Trotz dieser Beweise bleibt der Fehler erhalten. Der Oxford Companion to Shakespeare stellt fest: "Es ist etwas seltsam, dass Shakespeare seinen Warwickshire-Akzent ... nicht nutzte, obwohl er gerne das Nicht-Standard-Englisch, das Französisch und Walisisch und die nationalen Dialekte Schottlands und Irlands in phonetischer Schreibweise wiedergab."

Literatur:

G. L. Brook, The Language of Shakespeare (Andre Deutsch 1976)
David Crystal in Pronouncing Shakespeare (CUP 2005)
Dobson, Michael and Stanley Wells, Oxford Companion to Shakespeare (OUP 2000)
E. I. Fripp, in Shakespeare Man and Artist (OUP 1938)
H. Kokeritz, Shakespeare's Pronunciation (Yale UP 1953)
J. Appleton Morgan, A Study of the Warwickshire Dialect (Shakespeare Press1900)
C. T. Onions, A Shakespeare Glossary (OUP1911 rev. ed. Eagleson 1986)
A. J. Pointon, The Man Who Was Never Shakespeare (Parapress 2011).
Zur Einleitung von Der Widerspenstigen Zähmung:

Ja, die Einleitungs-Szene zu Der Widerspenstigen Zähmung enthält Hinweise auf die Umgebung von Stratford, aber was ist mit der Hauptfigur in dieser Szene, mit Christopher Sly? Er sagt, er sei „durch Bildung ein Cardmaker, durch Verwandlung ein Beare-heard und nach meinem gegenwärtigen Beruf ein "Tinker". „Cards" wurden für das Kämmen der Wolle verwendet (dt. kardieren), „Bearherds" kümmerten sich um die Bären bei öffentlichen Schaustellungen und zu den „Tinkers" gehörten herumziehende Wanderschauspieler.

Was für eine unwahrscheinliche Reihe von Berufen! Aber wir kennen jemandem, dessen Vater (John), mit Wolle handelte, der offenbar später für einen Mann arbeitete, der eine Arena für Bärenhatzen betrieb (Philip Henslowe), und der dann ein Schauspieler wurde - ein William  S h a k s p e r e . Könnte es sein, dass Christopher Sly den Mann aus Stratford darstellt? Warum sollte  S h a k s p e r e  sich als einen betrunkenen Tinker darstellen, der eines Tages aufwachte, um zu erleben, dass er als jemand behandelt wird, der er nicht ist?

- Michael Egan, Ph.D., Editor, The Oxfordian; Author, The Tragedy of Richard II, Part One: A Newly Authenticated Play by William Shakespeare (The Edwin Mellen Press)

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