Frage 8

Spiegeln sich in Shakespeares Werken Aspekte des Lebens in Stratford-upon-Avon während seiner Zeit?

[Michael Wood, Rundfunksprecher, Autor und Historiker und Autor von Auf der Suche nach Shakespeare, antwortet für den SBT.]

Am Ende läuft die Frage nach Shakespeares Urheberschaft auf die einfache Sache der Beurteilung historischer Quellen hinaus. Shakespeares Autorschaft zu leugnen heißt, die primären Quellen, vor allem sein Testament, zu ignorieren.

Aber die Spiele selber erzählen uns etwas von ihren Autor. Sie zeigen, dass er ein Schüler der Lateinschule in Stratford war. Sie enthalten lokalen Dialekt und Schreibweisen, sie zeigen Fachwissen aus dem Wollhandel und der Arbeit eines Handschuhmachers, d. h. aus den Geschäften, denen sein Vater in Stratford nachging. (Denken Sie an Festes (des Narren) Witz in Was ihr wollt über Chevril, die weiches Ziegenleder in der Handschuhmacherei verwendet). Die Stücke zeigen eine genaue Kenntnis der Menschen und Orte rund um Stratford, wie die Hackets von Wilmcote (dem Dorf seiner Mutter) in Der Widerspenstigen Zähmung oder George Vizer und Clement Perkes aus Heinrich IV - Cotswolds wool-men, wie aus dem echten Leben.

(Anm. des Übersetzers: „Cotswolds": Region in Mittelengland, u.a. Gloucestershire, Oxfordshire und Warwickshire. Im Mittelalter reich durch Wollhandel.
William Visor - nicht George - und Clement Perkes werden nur als Namen in 2 Heinrich IV. V,1 genannt und sind keine Personen im Stück -„to countenence William Visor of Woncot against Clement Perkes o' the Hill". Ein direkter Zusammenhang mit Cotswolds und Wollhandel oder dergleichen ist dort nicht erkennbar.)

So kann man an den Stücken selbst sehen, dass der Autor aus der Region von Stratford kam, wie es alle Zeitgenossen natürlich wussten. Und sie wussten es, weil es wahr ist.

Erwiderung:

Was die „primären Quellen" betrifft, ist das Testament des Mannes aus Stratford tatsächlich das Dokument, das der Behauptung, er sei der Autor der Shakespeare-Kanons, am meisten schadet. Es enthält keinen Hinweis auf Shakespeares Theaterstücke oder ein Gedicht, es enthält nichts über die Tätigkeit eines Schriftstellers, nichts über Bücher oder Bücherregale, Papiere, Manuskripte, Briefe oder geistiges Eigentum - was jeder professionelle Schriftsteller in seinem Testament erwähnen würde.

Die Stücke zeigen keinen "Schüler der Lateinschule aus Stratford." Sie zeigen vielmehr, dass er eine hoch gebildete, belesene, weit gereiste intellektuelle Persönlichkeit war, vertraut mit den neuesten Erkenntnissen aus Astronomie, Philosophie und Medizin und den politischen Fragen der Zeit. Er war auch kompetent in Griechisch und Latein und sprach fließend Französisch und Italienisch. In anderen Worten: ein Renaissance-Mensch und kein „Junge der Lateinschule".

Das auffälligste "Fachwissen" in den Stücken hat nichts mit Wollhandel oder mit der Handschuhmacherei zu tun, sondern mit der See und der Seefahrt, mit alter und moderner Kriegsführung, mit dem Rechtswesen und den Gesetzen. Nichts zeigt, dass  S h a k s p e r e  Kenntnisse von diesen Themen hatte oder es für ihn Gelegenheiten gab, sie zu erwerben. Was die "genaue Kenntnis der Menschen und Orte" angeht: Die Stadt Windsor wird zwei Dutzend Mal in vier verschiedenen Stücken erwähnt. Vielleicht war "Shakespeare" war Berkshire-Junge.

Und nicht zu vergessen: Mit Ausnahme von einer obskuren Erwähnung in einem der Teile von Heinrich IV, die mit Ereignissen lange vor Shakespeares Zeit zu tun hat, wird Stratford selbst nie erwähnt. Es gibt nicht das geringste Anzeichen dafür, dass Shakespeares Zeitgenossen "wussten, dass er aus Stratford kam." Sie wussten es nicht, natürlich nicht, weil es nicht wahr war. Niemand hat Mr.
S  h a  k s p e r e  aus Stratford zu seinen Lebzeiten mit den Dichter Shakespeare in Verbindung gebracht.

- Ramon Jimenez, Autor zweier Bücher über die römische Republik sowie zahlreiche Urheberschaft-bezogener Artikel in den Oxford- und SO-Newsletters

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