Frage 9

Wann erschien Shakespeare zum ersten Mal auf der literarischen Bühne?

[Andrew Dickson, Guardian Theater Redakteur, Autor von The Rough Guide to Shakespeare und Mitarbeiter des New Cambridge Companion to Shakespeare, antwortet für die SBT.]

Der früheste erhaltene Hinweis auf Shakespeare als Autor stammt von einem seiner Rivalen, dem Dramatiker Robert Greene. In einer Broschüre aus dem Jahr 1592, Greenes Groatsworth of Wit, mokiert sich Greene über einen Rivalen, einen Autor, der "in seiner eigenen Einbildung die einzige Shake-scene in einem Land" ist. Obwohl Greene sich nicht herablässt, Shakespeare direkt beim Namen zu nennen, ist "Shake-scene" ganz offensichtlich eine Anspielung auf ihn.

Interessant daran ist meines Erachtens, dass es sich bei Greenes Groatsworth of Wit um den Überrest einer längst vergessenen literarischen Fehde zu handeln scheint. Greene bezichtigt ohne viele Beweise - was zu betonen ist - Shakespeare des Plagiats.

Hat Shakespeare sich an Greenes Arbeiten bedient? Nun, vielleicht - aber, was wahrscheinlicher ist, Greene war einfach empört, dass ein junger "Emporkömmling" aus den tiefsten Provinz genauso gute Stücke schreiben konnte wie er.

In jedem Fall können wir durch Greenes Schrift sicher sein, dass Shakespeare in den frühen 1590er Jahren auf der Bildfläche erschienen ist und gut genug war, um heftige literarische Feinde zu haben.

Erwiderung:

Obwohl orthodoxe Shakespeare-Experten heute allgemein die Identifizierung der "upstart crow" („emporgekommene Krähe") in Groatsworth mit Shakespeare aus Stratford akzeptieren, haben sowohl orthodoxe als auch nicht-orthodoxe Forscher diese Identifikation in Frage gestellt. Unter den vorgeschlagenen Alternativen sind die Schauspieler Edward Alleyn, Will Kemp und Ben Jonson. Auch gab es viele Diskussionen darüber, ob Groatsworth nicht viel mehr eine Fälschung von dem Verleger Henry Chettle war, der behauptete, er habe Groatsworth unter Greenes Papieren nach dessen Tod gefunden.

Selten wird erwähnt, dass die Quelle der Identifikation der „upstart crow" mit William Shakespeare in Groatsworth im zweiten von drei Teilen der Schrift erfolgt. Aber wenn wir die Identifikation „upstart crow" mit Mr.  S h a k s p e r e  aus Stratford im zweiten Teil von Groatsworth akzeptierten, was sagt uns dann der erste und der dritte Teil?

Im ersten Teil finden wir einen "Gentleman", dessen Charakter auch als ein Vertreter der „upstart crow" ist, und im dritten Teil eine "Aesope ant" („Äsop Ameise"), auch einen Vertreter der „crow". Dies gibt uns ein klareres Bild von der „emporgekommenen Krähe". Es ist das Bild von einem kleinlichen, plagiierenden Heuchler - kaum schmeichelhaft für die Person, von der angenommen wird, es sei der junge Shakespeare gewesen.

Ein weiteres Stück in dem  Puzzle ist Henry Chettles Antwort, veröffentlicht in einem Werk namens Kind-Heart's Dream. Chettle antwortet auf den Vorwurf der Fälschung und entschuldigte sich bei bestimmten Autoren (Nashe?, Peele?), die angeblich von Groatsworth beleidigt waren. Moderne Shakespeare-Biographen behaupten jedoch weiterhin in einem durchsichtigen Versuch, um Shakespeares Ansehen zu verbessern, dass die Entschuldigung Shakespeare gilt, auch wenn der Text diese Schlussfolgerung eindeutig nicht enthält.

Der bekannte Shakespeare-Forscher Prof. Lukas Erne weist zu Recht darauf hinweist, dass „der kumulative Effekt der Beweise gegen Shakespeare [als Empfänger der Chettle Entschuldigung], solcher Art ist, dass es sich mehr um Mythologie als um Biographie handelt, wenn man Rückschlüsse über die Jugendjahre Shakespeares in London aus Chettles Entschuldigung zieht."

Erne, Lukas. "Biography and Mythology: Rereading Chettle's Alleged Apology to Shakespeare." English Studies, No. 5, pp. 430-440 (see page 440), 1998.

- Frank Davis, M.D., Past President, Shakespeare Oxford Society

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