Frage 10

Haben Schriftsteller der Shakespeare-Zeit ihn als Autor von bestimmten Werken identifiziert?

[Charles Whitworth, Professor für Englisch an der Universität Montpellier, Gründungsdirektor des IRC (ein mit dem CNRS verbundenes Zentrum für Forschung der frühen Neuzeit), antwortet für den SBT:]

Es gibt viele Anspielungen auf Shakespeare als Autor von bestimmten Werken. Zum Beispiel hat Francis Meres im Jahr 1598 ein Dutzend Stücke mit Titeln aufgelistet und sie, zugeschrieben Er, lobte den 'mellifluous and honey-tongued' Dichter (lieblich und mit honigsüßer Zunge) für Venus und Adonis, Lucretia und die Sonette. Im selben Jahr preist Richard Barnfield den Dichter Shakespeare für die gleichen Gedichte. Etwa zur gleichen Zeit erwähnt John Weever in einem an Shakespeare gerichteten Sonett die Gedichte und die beiden Dramen Romeo und Richard. Der Gelehrte Gabriel Harvey zitiert "Shakespeares Venus und Adonis ... Lucretia, und seine Tragödie Hamlet, Prinz von Dänemark ". Aber die erste deutliche Anspielung erfolgt 1592 in einer Schrift des Schriftstellers Robert Greene, in der er andere Dramatikern vor der "emporgekommenen Krähe" warnt, die sich selbst als tiger's heart wrapped in a player's hide' (Tigerherz, in Schauspielerhaut versteckt) für die „einzige Shakes-scene in einem Land" hält. Die Parodie einer Zeile aus dem ersten Akt von 3 Heinrich VI und die Anspielung auf Shakespeares Namen verbindet ihn mit dem Theater, und macht die Zuschreibung unmissverständlich.

Unsere Erwiderung

Es ist überhaupt nicht verwunderlich, dass Meres, Barnfield und Harvey sich auf "Shakespeare" beziehen als dem Autor der beiden Versepen Venus und Adonis und Die Schändung der Lucretia (1593, 1594), den ersten Werken, die unter dem Namen "William Shakespeare" erscheinen. Es beweist gar nichts, außer, dass sie die beiden gedruckten Namensnennungen für bare Münze nahmen. Interessanterweise stand der Name aber nur unter den Widmungen und nicht auf den Titelseiten.

Sechs der Stücke wurden dann anonym veröffentlicht, bis Meres im Jahr 1598 sagte, dass dieser "Shakespeare" auch ein großer Dramatiker war, und die Titel von zwölf seiner Stücke nannte. Niemand hat bis dahin den Namen Shakespeare mit etwas anderem als den beiden Versepen verbunden. Diese waren sehr beliebt, warum werden dann sechs seiner Stücke ohne seinen Namen veröffentlicht? Dies ist alles höchst merkwürdig und legt nahe, dass die Leute nicht wussten, wer der Autor war.

Ja, Schriftsteller der Zeit kennen den Autor "Shakespeare", wer immer er war, als den Autor von bestimmten Werken, aber sie identifizieren ihn nie speziell als den Mann aus Stratford. Orthodoxe Gelehrte gehen einfach davon aus, dass jeder Verweis auf "Shakespeare" ein Verweis auf Mr. Shakspere ist, aber kein einziger Hinweis aus seinen Lebzeiten identifiziert ihn ausdrücklich als diesen. Der Name könnte genausogut ein Pseudonym und/oder der Name eines Frontmann gewesen sein. Erst in der 1623 veröffentlichten First Folio, sieben Jahre nach seinem Tod, hat jemand behauptet - und selbst dann nicht sehr deutlich -, dass der Mann aus Stratford der Autor sei.

Whitworth behauptet, dass Robert Greenes Parodie einer Zeile aus dem ersten Akt von 3 Henry VI sowie sein Wortspiel "Shake-scene" auf den Namen des Schauspielers „die Zuordnung unverwechselbar" macht. Keineswegs! Es ist nicht sicher, dass "Shake-scene" notwendigerweise ein Hinweis auf Mr. Shakspere ist, obwohl es sein kann. Einige glauben, dass es sich viel eher auf einen Schauspieler bezieht, der in 3 Henry VI auftrat,  als auf den Autor. Aber selbst wenn Shakspere "Shake-scene" in Groatsworth ist, macht das die Zuschreibung keineswegs „unmissverständlich", wenn Whitworth damit meint, dass er das Stück geschrieben hat. Im Gegenteil, Greene legt nahe, dass der Schauspieler kein Schriftsteller war, aber vorgab einer zu sein.

Für einen zuvrlässigen Nachweis von Mr. Shakspere als dem Autor geht der SBT weit zurück bis 1592. Wenn Shakspere später der führende Dramatiker der King's Men gewesen ist, warum muss man sich auf Groatworth verlassen? Wo sind all die Dokumente im Zusammenhang mit Shaksperes Höhepunkt seiner Karriere am Hofe von Jakob I?

- Patrick Buckridge, Ph.D., Professor of English, Griffith University, Australia

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