Frage 11

Haben Schriftsteller der Shakespeare-Zeit seine Werke getadelt?

[Emma Smith, Fellow und Tutor in Englisch an Hertford College, Oxford, antwortet für den SBT.]

Nicht viel. Es ist vielleicht Robert Greene zu nennen, der Shakespeare als "emporgekommene Krähe" beschreibt, „die sich mit unseren Federn schmückt", aber mit dieser Beschreibung macht er Shakespeare eigentlich ein Kompliment für die außergewöhnlichen Fähigkeiten eines Anfängers.

Von einigen Schriftstellern bekommt er ein schwaches Lob: Dramatikerkollege John Webster bewundert im Jahre 1612 schriftlich, "das recht glückliche und reichliche Talent von Meister Shakespeare" und auch das der Meister Dekker und Heywood.

Die deutlichste Kritik kam von seinem Rivalen Ben Jonson. Jonson spricht verächtlich über Shakespeares Fehler in Ein Wintermärchen, Böhmen ans Meer zu legen, und lacht über eine Zeile in Julius Caesar. - Diese Kritik scheint Wirkung gehabt zu haben, denn im Text des Stückes ist sie nicht enthalten. Im Gegensatz zu seiner Behauptung, dass Shakespeare nie eine einzige Zeile gelöscht habe, wünscht er sich aber, dass Shakespeare "tausend ausgelöscht hätte". Aber letztlich bemerkt Jonson, dass es "bei ihn immer mehr zu loben als zu verzeihen gab".

Erwiderung:

Wir sind uns einig, dass Autoren der Shakespeare- Zeit sein Werk kaum getadelt haben. Die Frage selber ist aber sonderbar. Sie soll wohl darauf hindeuten, dass anderen Autoren seine Werke scheinbar gefallen haben, da sie ihn nicht kritisieren. Tatsächlich haben die meisten seiner Schriftstellerkollegen selten überhaupt etwas über seine Werke gesagt. Er scheint eine relativ schattenhafte Gestalt im Laufe seiner Karriere als Schriftsteller gewesen zu sein. Er schrieb kein einziges Lobgedicht, für niemanden, und niemand schrieb bis 1623 solche für ihn. In einer Zeit, die für überschwängliche Widmungen bekannt ist, hat niemand Shakespeare etwas gewidmet.

Mit "Shake-scene" und mit der "emporgekommenen Krähe" könnte Mr. Shakspere gemeint sein. Stratfordians gehen in der Regel davon aus, dass Greene ihn wegen Plagiats von Greenes eigenen Werken und der Werke anderer "University Wits" angegriffen habe. Aber wie Andrew Dickson schon in seiner Antwort auf Frage 9 erwähnt hat, gibt es dafür kaum Anzeichen. Ferner ist mit dem "geschmückt mit unseren Federn" (in Abwesenheit von Anzeichen auf ein Plagiat) eher darauf angespielt worden, dass er mit ihren Stücken, die er gekauft und an Schauspieltruppen vermittelt hatte, Gewinne machte und Provisionen bezog, die die Schriftsteller und Schauspieler für unverhältnismäßig hoch hielten.
Emma Smith sagt, dass Shakespeare von Ben Jonsons kritisiert wird, sie erwähnt aber mit keinem Wort, dass dies nur posthum geschieht. Jonsons erste Erwähnung von Shakespeare findet sich in seinen eigenen „gesammelten Werken" im Jahre 1616, d. h im selben Jahr, in dem  S h a k s p e r e  starb. Jonson nennt ihn als Schauspieler in zwei seiner eigenen Stücke aus früheren Jahren. Das ist alles. Er schreibt nichts zum Tode seines Freundes und Schriftsteller-Kollegen William Shakespeare.
Jonson war ein Meister der Zweideutigkeit, mehrere seiner Biographen haben darauf hingewiesen. Manche sagen, sein Lob von Shakespeare in den First Folio würde unterschwellig auf zwei verschiedene Männer hinweisen. Dann gibt es noch Jonsons Epigramm mit dem Titel "On Poet-Ape", auch aus dem Jahr 1616, von dem häufig angenommen wird, dass es Shakespeare gilt.

"He takes up all, makes each man's wit his own.
And told of this, he slights it. Tut, such crimes
The sluggish, gaping auditor devours;
He marks not whose 'twas first, and after-times
May judge it to be his as well as ours."

Das haben sie in der Tat! Jonson hatte Recht.

- Patrick Buckridge, Ph.D., Professor of English, Griffit

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