Können die Dramen von jemandem geschrieben worden sein, der England nie verlassen hat?
[Margaret Drabble studierte in Cambridge, war Schauspielerin beim RSC, schrieb siebzehn Romane and verschiedene nicht-fiktionale Bücher und antwortet für den SBT.]:
Shakespeares Geografiekenntnisse waren lückenhaft. Er gab Böhmen eine Küste und ein Wüste, worüber sich viele, Ben Jonson eingeschlossen, lustig gemacht haben. Aber Ein Wintermärchen ist eine Romanze und Genauigkeit war nicht seine Absicht. Illyrien in Was Ihr wollt ist ein mythischer Ort, ein Ort der Träume, eine Art Elysium. Die italienischen Städte, vor allem Verona und Venedig, glänzen mit Renaissance-Glamour und man könnte glauben, dass er da gewesen wäre. Aber genauso gut könne er mit Reisenden gesprochen haben, Abbildungen gesehen und Reiseberichte gelesen haben, aus denen er dann die Städte lebendig konstruiert hat, die wir auf der Bühne sehen. Es gab keine Notwendigkeit für ihn, nach Rom zu kommen, um seine römischen Tragödien zu schreiben. Angaben über das Forum und das Capitol kannte er von Plutarch. Er reiste in Büchern und in seiner Phantasie, wie es viele Schriftsteller tun, und er konnte es souverän. Sein Ägypten mit den Fliegen und Mücken vom Nil ist so real wie der Wald von Arden.
Erwiderung:
Shakespeares Kenntnisse in der Geografie waren keineswegs "lückenhaft". In der Regierungszeit von Rudolf I, König von Böhmen, reichte dessen Territorium von 1575 bis 1611 an die Küste der Adria! Ein neues Buch, das jetzt erscheint, liefert den Beweis, dass Shakespeare England verlassen hat: The Shakespeare Guide to Italy: Retracing the Bard's Unknown Travels, von Richard Paul Roe (HarperCollins, November 8, 2011).
Roe zeigt „ein unbekanntes Italien, das in Shakespeares Dramen verborgen ist. Es ist ein genial beschriebenes Italien, das bisher weder anerkannt und nicht einmal vermutet worden ist - mit Ausnahme von einigen wenigen -, nicht einmal innerhalb von 400 Jahren. Es ist genau, detailliert, es ist brillant". Shakespeare-Studien werden nie mehr dieselben sein.
Roe ist nicht der erste, der zu dem Schluss kam, dass Shakespeare ausgiebig in Italien gereist sein muss. Der orthodoxe italienische Gelehrte Ernesto Grillo schrieb, „dass sich bei Shakespeare ein profundes Wissen über Norditalien zeigt, mit genauer Kenntnis von Mailand, Bergamo, Verona, Mantua, Padua und Venedig. Dies beweist, dass er seine Informationen aus einer tatsächlichen Reise durch Italien und nicht aus Büchern haben kann." Die unabhängige Forscherin Noemie Magri schrieb viele Aufsätze über die italienischen Dramen und wies nach, dass darin detaillierte Kenntnise vorhanden sind, die man nur haben konnte, wenn man dort gewesen ist. Der britische Wissenschaftler Kevin Gilvary kommt zu dem gleichen Ergebnis. Roes bedeutendes Buch macht den Fall klar.
Wir stimmen zwar zu, wenn Antonius und Cleopatra in Ägypten, Maß für Maß in Wien oder Othello teilweise in Zypern spielen, dies nicht bedeutet, dass der Autor in Ägypten, Wien oder Zypern gewesen sein muss. Nicht jede örtliche Beschreibung in einem dieser Stücke ist ein Argument dafür, dass der Autor dort selber gewesen sein muss. Andere Stücke aber zeigen eine genaue Kenntnis der örtlichen Geografie und sind detailgenau beschrieben, was nur möglich ist, wenn man es mit eigenen Augen gesehen hat.
- Mark Anderson, Autor von "Shakespeare" By Another Name (Gotham Books, 2005; 2011, 2. Auflage.)