Frage 24

In wieweit lässt sich eine Zusammenarbeit mit Co-Autoren im Shakespeare-Kanon nachweisen?

[Gary Taylor, Herausgeber der Werke von Shakespeare und Thomas Middleton, für Oxford University Press, antwortet für den SBT.]

Shakespeare war ein Star, aber er war auch ein Team-Player. Er bildete zeitweilige Partnerschaften mit anderen professionellen Autoren, um an konkreten Projekten zu arbeiten. Berufe beruhten in der elisabethanischen Zeit in der Regel auf einem System mit einer Lehrzeit. Am Anfang seiner Karriere arbeitete Shakespeare mit älteren, erfahreneren, besser ausgebildete Autoren zusammen. So schrieb er gemeinsam mit George Peele an Titus Andronicus. Peele brachte den Ball ins Rollen; Shakespeare lief mit. Mindestens drei verschiedene Autoren haben zusammen an 1 Heinrich V1 geschrieben: Thomas Nashe, Christopher Marlowe und Shakespeare. Als er älter wurde, wurde Shakespeare selbst zum erfahrenen Lehrer, der sein Handwerk an vielversprechende Jüngere weitergab. Er arbeitete mit Thomas Middleton an Timon von Athen, mit George Wilkins an Perikles und mit John Fletcher an Cardenio, Heinrich VIII („All is true") und Die beiden edlen Vettern. Nach seinem Tod beauftragte Shakespeares Schauspielertruppe Thomas Middleton zwei von Shakespeares Stücken zu überarbeiten: Macbeth and Maß für Maß. Keines von Shakespeares Dramen ist das Produkt eines einzelnen Genies.

Erwiderung:

Mit Ausnahme der 1634 erschienenen Ausgabe von Die beiden edlen Vettern, die erst 18 Jahre nach Shakespeares Tod veröffentlicht wurde, gibt es keine dokumentierten Belege oder bibliographischen Hinweise, dass Shakespeare jemals mit irgendjemandem zusammengearbeitet hat. 
Die angeblichen Beweise für die Zusammenarbeit beruhen auf einer Vielzahl von stilistischen Analysen, deren Ergebnisse sich regelmäßig widersprechen. Nur ein Beispiel: In den vergangenen 100 Jahren haben die Zuschreibungs-Studien zur Urheberschaft "bewiesen", dass Edward III geschrieben wurde:

  • von George Peele alleine,
  • von Christopher Marlowe zusammen mit George Peele, Robert Greene und Thomas Kyd,
  • alleine von Thomas Kyd,
  • allein von Michael Drayton,
  • alleine von Robert Wilson,
  • alleine von William Shakespeare,
  • von William Shakespeare und einem unbekannten anderen,
  • von William Shakespeare und Christopher Marlowe,
  • von William Shakespeare und einigen anderen, mit Ausnahme von Marlowe,
  • und zuletzt und ganz speziell von Thomas Kyd (zu 60 Prozent) und von William Shakespeare (zu 40 Prozent).

Die Aussage, Shakespeare habe "gemeinsam mit George Peele" oder jemand anderem geschrieben, ist eine Verzerrung. Jede von Gary Taylors Aussagen in seiner Antwort (oben) ist eine von Vorurteilen geprägte Vermutung, die sich weder durch Tatsachen noch durch Dokumente stützen lässt.
 
- Ramon
Jimenez, Autor zweier Bücher über die römische Republik sowie zahlreicher Aufsätze zur Verfasserschaftsfrage in „The Oxfordian" und SOS-Newsletter.
- Robin Williams, Präsident der Mary Sidney Society; Doktorand in Englisch, Brunel University, London

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