Frage 26

War Zusammenarbeit häufig in der Shakespeare-Zeit?

[Peter Kirwan, Tutor, Blogger und Forscher, Doktorarbeit an der University of Warwick über Schauspiele mit umstrittenen Autorschaft, antwortet für den SBT:]

Die Zusammenarbeit war wohl die Standardform in der im frühen Theater geschrieben wurde. Unsere beste Quelle ist Philip Henslowes Tagebuch. Es gibt uns eine Momentaufnahme über mehreren Jahrzehnte: Fast zwei Drittel der Spiele hatte mehrere Autoren. Shakespeares Zeitgenosse, Thomas Heywood, behauptete, an mehr als 200 Stücken beteiligt gewesen zu sein, und alle großen Schriftsteller - darunter Jonson und Marlowe - haben mit anderen zusammengearbeitet.

Es geht aber nicht nur um Wörter, Anthony Munday wurde als "der beste Anstifter" bekannt. Einige Autoren waren für Geschichten spezialisiert, andere auf Dialoge oder arbeiteten die Praxis hinter der Bühne aus. Das Manuskript von Thomas More, mit etwa sieben verschiedenen Handschriften, zeigt uns die ganze Palette von Kooperationen.

Wir wissen, dass die Dramen von Shakespeare aufgeführt wurden, und wir wissen auch, dass durch die schiere Anzahl der Mitarbeiter, die bei der Schaffung solcher Stücke beteiligt waren, die Produktionen Gemeinschaftsarbeit war.
Die Idee eines einzigen künstlerischen Geistes, der den Vorsitz über ein ganzes Werk führt, steht im Widerspruch mit dem Wesen des professionellen Theaters.

Erwiderung:

Zusammenarbeit mag bei einigen Autoren üblich gewesen sein, aber dies allein beweist nicht, dass irgendein anderer Schriftsteller mit William Shakespeare zusammengearbeitet hat oder dass er ihm überhaupt begegnet ist.

Kirwan (oben) erwähnt, dass fast zwei Drittel der in Henslowes Tagebuch aufgezeichneten Zahlungen für Kooperationen erfolgt sind. Die Tagebuchaufzeichnungen nennen 282 Schauspiele,  zwei Drittel davon sind etwa 180. Aber Henslowes Tagebuch ist ein Bericht über nur eines von mindestens sieben Schauspielhäusern, die während der Zeit aktiv betreiben wurden. Wir kennen die Namen von mehr als 1500 Stücken (es gibt Hinweise auf mehr als 3000, die während Shakespeares Lebzeiten inszeniert worden sind.) Bei den 1500 ist nur etwa von einem Achtel bekannt, dass es Kooperationen waren. Das beweist gar nichts in der einen oder anderen Richtung, außer, dass die Betonung von Zusammenarbeit vielleicht unangebracht ist oder damit eine andere Absicht verfolgt wird.
 
Wie seltsam, dass wir Shakespeares Genie hoch über dem aller anderen Autoren einschätzen, dass seine Werke von allen anderen so verschieden sind, dass wir von einzelne Szenen, sogar von einzelne Zeilen sagen können, dass er sie nicht geschrieben hat, weil ihnen der „Golden Touch" fehlt, den nur er allein beherrscht und wir ihn nicht mit dem Standard anderer Autoren vergleichen können. Doch im Bereich der Zusammenarbeit soll plötzlich Shakespeare so gewöhnlich sein wie jeder Lohnschreiber des elisabethanischen Zeitalters. Was ist hier wirklich los?
 
- Ramon
Jimenez, Autor zweier Bücher über die römische Republik sowie zahlreicher Aufsätze zur Verfasserschaftsfrage in „The Oxfordian" und SOS-Newsletter.
- Robin Williams, Präsident der Mary Sidney Society; Doktorand in Englisch, Brunel University, London

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