Warum hat Sigmund Freud Shakespeares Autorenschaft bezweifelt?
[Paul Prescott, Associate Professor für Englisch an der University of Warwick und Associate Academic in der RSC-Warwick Centre for Teaching Shakespeare, antwortet für den SBT.]
Es macht Spaß, den Begründer der Psychoanalyse zu psychoanalysieren. Warum war Freud ein Zweifler? War
er es in einem fachgemäßen Sinne,
weil die Wahrheit immer dunkel
und nie selbstverständlich ist?
War er es, weil die Fakten von Shakespeares Leben unvereinbar mit Freuds krass biographischer
Lesart von Hamlet
waren? Oder war es eine Form der
Rache an dem Schriftsteller, der mehr über die Psychologie wusste als er selber?
Warum beziehen wir uns auf Richard III? Weil, wie Freud
schrieb, er etwas
in uns allen verstärkt: "Wir werfen der Natur
immer unsere angeborenen Benachteiligungen
vor... Warum hat sie uns nicht die hohe
Stirn des Genies oder das edle Profil des
Adel gegeben? Warum wurden wir in einem bürgerlichen Haus geboren und nicht in einem
königlichen Palast?" fragt Freud.
Hier liegt unter der Oberfläche eine anti-stratfordische Logik vor. Weil man
aus einem Haus der Mittelschicht kommt, wird
man nicht beneidet. Aber wir beneiden Shakespeare. Folglich kann Shakespeare nicht aus einem
bürgerlichen Hause kommen.
Freuds Zweifel liegt ein versuchter Vatermord zu Grunde - eine unbewusste Vergeltung
gegen eine übermächtige Vaterfigur.
Vermutlich lag Freud bei Ödipus richtig,
wenn auch sehr falsch bei William Shakespeare.
Erwiderung
Es hat eine gewisse Ironie, dass ein englischer Professor aus der Gemeinschaft der Shakespeare-Experten, die immer bemüht sind, ihr Territorium als ihr vermeintlich eigenes Fachgebiet zu verteidigen, so leichtfertig in unser Gebiet eingreift. Was Paul Prescott zu Freud sagt, ist falsch. Er bietet nichts Glaubwürdiges an, um seine subjektive Meinung zu begründen. Auch ist unklar, welche Qualifikationen er für seine Ansichten einbringen kann, oder ob er methodisch noch anders vorgeht als nur nach dem Muster von persönlichen Angriffen (ad hominem) gegen jeden, der es wagt, Shakespeares Autorschaft in Frage zu stellen, egal, wie angesehen er auch sein mag.
Prescott findet, dass es "Spaß macht ", Freud zu psychoanalysieren, aber er sollte die Tatsachen richtig darstellen.
Es ist kein Geheimnis, dass sich Freud - wie viele andere Skeptiker auch - für den Hintergrund des
Mannes aus Stratford interessiert hat.
Was Freud beeindruckte, war die Methodik in J.
Thomas Looneys Buch und nicht gewisse Verzerrungen der Psychologie. Freud erkannte, dass Shakespeares Psychologie,
wie sie in seinen Werken zu finden ist, nicht die
ist, die sich in den detaillierten, aber profanen Berichten über William aus Stratford zeigt, Das sollte niemanden
überraschen. Es ist der gleiche Grund,
den die orthodoxe Experten immer
leugnen: Mr. S h a k s p e r e passt nicht ins Bild.
Freuds Ansehen beruht auf seiner Bereitschaft, bei der Suche nach Wahrheiten herkömmliche Meinungen zu ignorieren. Folglich war er immer umstritten. Aber er hat viel zu unserem Wissen über das Unbewusste beigetragen und dies Wissen durch die Praxis der Psychoanalyse erweitert. Eine Kernaussage der Psychoanalyse ist, dass sich Menschen gegen beunruhigende Erkenntnisse auf Grund der Abwehrmechanismen des Egos wehren.
Einer der ungesundesten Abwehrmechanismen ist Leugnung. Unseres Erachtens krankt die Shakespeare-Industrie in vielerlei Hinsicht. Um besser verstehen zu können, warum wir das sagen, verweisen wir auf unsere gemeinsame Erwiderung zu Frage 42.
- Jan Scheffer, MD, Psychiater und
Psychoanalytiker, Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Psychoanalyse und Kultur, Utrecht, Niederlande
- Richard Waugaman, MD, Professor für klinische Psychiatrie,
Georgetown University, Analytiker für Schulung und Supervising, Emeritus, Washington
Psychoanalytic Institute