Frage 37

Wie wurde Shakespeares bei seinem Tode gedacht?

[Peter Kyle, Vorsitzender des Shakespeare Birthplace Trust, Generaldirektor der English-Speaking Union und ehemaliger Vorstandsvorsitzender von Shakespeare's Globe, antwortet für den SBT]

Shakespeare wurde bei seinem Tod im Jahr 1616 mit einem schmucken Monument in der Holy Trinity Church gedacht. In den Inschriften des Monuments wird er mit großen Geistern der Antike verglichen. Der ausden Niederlanden stammende Bildhauer Gerard Janssen besaß eine Werkstatt nahe dem Globe-Theater in Southwark und fertigte1614 auch den Gedenkstein für Shakespeares Freund John Combe in der gleichen Kirche an.
Die erste Folioausgabe von 1623 stellt ihrerseits ein beeindruckendes Denkmal für Shakespeare dar, das von seinen beiden Freunden und Schauspielerkollegen John Heminges und Henry Condell ermöglicht wurde, denen Shakespeare in seinem Testament einen Geldbetrag zum Kauf von Trauerringen hinterlassen hatte.
Im Vorwort zur ersten Folioausgabe schreiben Heminges and Condell einen rührenden „Brief an die große Vielfalt der Leser" Shakespeares. Dem Text der Stücke vorangestellt sind auch Lobverse von Schriftstellern wie Ben Jonson, Hugh Holland, Leonard Digges und James Mabbe. In der 1640er Ausgabe von Shakespeares Gedichten findet sich auch eine Elegie von William Basse, von der frühere Manuskriptversionen existieren. Eines dieser Manuskripte ist überschrieben: „Für William Shakespeare, beerdigt in seiner Heimatstadt Stratford-upon-Avon" .

Erwiderung

„Shakespeares", des Autors, wurde 1616 beim Tod von Mr. Shakspere nicht gedacht. Im Gegensatz zu dem, was Peter Kyle behauptet, wurde vom Tod des Mannes aus Stratford bis 1623 keine Notiz genommen. Die einfache Grabplatte, unter der er begraben zu liegen erachtet wird, trägt nicht einmal seinen Namen. Wäre er der große Autor Shakespeare gewesen, hätte er wie Chaucer, Spenser und Beaumont eine Grabstätte in Westminster Abbey erhalten sollen. Das wäre eine angemessene Ehrung gewesen, aber das geschah nicht. Die früheste Referenz auf Shakespeares Monument findet sich 1623, nicht 1616, wie Kyle behauptet, in der ersten Folioausgabe. Es gibt nicht den geringsten Beleg dafür, dass das Monument 1616 errichtet worden wäre oder dass irgendwer es vor 1623 gesehen hätte. Dem Antiquar William Dugdale zufolge zeigte das Bildnis in der Holy Trinity Church einen Mann mit einem herunterhängenden Schnurrbart; er presste einen Sack an seinen Bauch, offenbar einen Sack, der Getreide oder Wolle enthielt. Es war das Bild eines Händlers: von einer Feder, Papier oder einer Schreibunterlage war, anders als beim Monument, wie wir es heute kennen, nichts zu sehen. Diese Skizze wurde von Dugdale 1634 während seines Besuches in Stratford angefertigt. Es war auch die Abbildung, die Hollar für Dugdales Antiquities of Warwickshire (1656) gravierte. Die Dokumente zeigen, dass das Monument im Laufe des 18. Jahrhunderts mehrfach repariert und „verschönert" wurde. Heute zeigt das Bildnis in der Tat einen Schriftsteller mit Feder, Papier und ausgerechnet einem Kissen als Schreibunterlage.
Die Inschrift besagt nicht ausdrücklich, dass das Monument zu Ehren des Schriftstellers Shakespeare errichtet wurde. Einem Einwohner Stratfords, der den Mann gekannt haben mochte, würde die Grabschrift nichts dergleichen bedeuten. Sie erwähnt weder Namen noch enthält sie Zitate aus dem Werk, und schweigt sich aus zu Gedichten, Stücken, Schauspielkunst und Theater. Shakespeares Biographen übergehen oft diese Grabschrift. Grabschriften andererer Autoren der Zeit identifizieren sie eindeutig als Autoren. Wieso ist das im Fall von Shakespeares Grabschrift anders?
In keinem Dokument wird erklärt, dass die Schauspieler Heminges und Condell die erste Folioausgabe „ermöglichten". Sie waren keine literarisch gebildeten Leute oder Herausgeber, die ein solches Projekt hätten durchführen können. Ben Jonson hingegen besaß diese Fähigkeit; schließlich hatte er 1616 seine eigene Folioausgabe ediert. Die Mehrzahl der Forscher ist davon ausgegangen, dass Ben Jonson aller Wahrscheinlichkeit nach die von Heminges und Condell unterzeichneten Vorworte geschrieben hat.
Die Elegie, die Peter Kyle zufolge von William Basse verfasst wurde, ist nicht von ihm. 1633 erschien sie zum ersten Mal in einer postumen Ausgabe von Werken John Donnes, weshalb sie diesem zugeschrieben wurde. Die Überschrift lautete „Grabschrift für William Shakespeare"; darin war kein Hinweis auf Basse oder auf Geburt und Tod in Stratford zu lesen. Basse nahm die Elegie auch nicht in eine der beiden Sammelbände seiner Gedichte auf, wahrscheinlich deshalb, weil es nicht seine Elegie war. Von der Elegie sind etwa drei Dutzend Manuskripte gefunden worden, von denen die Überschrift in nur acht Fällen Stratford oder das Todesjahr 1616 erwähnt. In keinem der Fälle lässt sich heute noch nachweisen, wer diese Hinweise auf Stratford oder das Todesjahr 1616 hinzugefügt hat. Wahrscheinlich wurden diese Angaben auf acht Kopien nach 1633 hinzugefügt, fast zwei Jahrzehnte nach Shaksperes Tod.

- Richard Whalen, ehemaliger Präsident der Shakespeare Oxford Society; Verfasser zahlreicher Artikel und Buchbesprechungen während der letzten zwei Jahrzehnte nach Shaksperes Tod.

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