Welcher Art war das Verhältnis zwischen Aristokratie und Theater in Shakespeares Zeit?
[Farah Karim-Cooper, Leiterin von Research & Courses, Globe Education, antwortet für den SBT.]
Die Aristokratie war für das elisabethanische Theater von großer Bedeutung, nicht zuletzt deshalb, weil die Schauspielergesellschaften einflußreiche Unterstützer bei Hof und in den Ämtern gegen die Behörden der City brauchten, die dem kommerziellen Theater feindselig gesonnen waren. So schrieb zum Beispiel Henry Carey, 1. Baron Hunsdon, der Schirmherr von Shakespeares Ensemble, im Oktober 1594 dem Londoner Lord Mayor of London, um ihn zu bitten, Aufführungen des Ensembles innerhalb der Jurisdiktion der City zu gestatten (was seienrzeit nicht gestattet war).
Als 1570 die ersten Theater eröffneten, genoss die Schauspielerei kein hohes Ansehen. Das Patronagesystem war von vitaler Bedeutung für den Schauspielerberuf. Die finanzielle und moralische Unterstützung einflussreicher Mitglieder der elisabethanischen Aristokratie gewährleistete das Gedeihen der Theater. Viele Stückeschreiber und Dichter erkannten ihre Gönnern in Widmungen formell an.
Shakespeare wurde nicht nur vom Lordkämmerer als Schirmherrn seines Ensembles unterstützt, sondern seit 1603 auch von König Jakob I., aber sein Talent als Dichter wurde zu einem frühen Zeitpunkt seines künstlerischen Schaffens vom Earl of Southampton erkannt, dem Shakespeares seine beiden ersten Veröffentlichungen, die epischen Gedichte Venus and Adonis (1593) und The Rape of Lucrece (1594) widmete.
Erwiderung:
Ja, die Aristokratie war für das elisabethanische Theater von großer Bedeutung. Aber was hat dies mit der Verfasserschaftsfrage zu tun? Henry Carey, Lord Hunsdon - ein enger Verbündeter meines berühmten Ahnen William Cecil, des ersten Lord Burghley - war in der Tat der Schirmherr des Ensembles der Lord Chamberlain's Men, später, seit Beginn der Regierung Jakobs I., umbenannt in die „King's Men". Daran war nichts Außergewöhnlich. Jede Schauspielergesellschaft brauchte einen Sponsor. Aber Sponsorschaft war nicht notwendigerweise gleichbedeutend mit „Schirmherrschaft" in finanzieller Hinsicht.
Gleicherweise bedeutete die Tatsache, dass ein Dichter oder Stückeschreiber ein Weerk einem angesehenen Edelmann widmete, nicht unbedingt auch, dass dieser Edelmann sein Gönner war, und nicht einmal, dass sich der Autor um die Schirmherrschaft dieses Adeligen bewarb. Somit beweist die bloße Tatsache, dass „Shakespeare" sowohl Venus & Adonis als Lucrece dem Earl of Southampton widmete, an und für sich gar nichts. Wenn Southampton Shakespeares Gönner war, müssen andere Beweise her. Und Beweise, dass Shakespeare je Southampton begenet ist oder vom Earl je eine Zahlung oder eine Schirmherrschaft zuteil wurde, existieren nicht, erst recht nicht dafür, dass, wie Karim-Cooper behauptet, Southampton sein dichterisches Talent bereits zu einem frühen Zeitpunkt seines künstlerischen Schaffens erkannte.
Farah Karin-Cooper stellt zu Recht fest, dass „zahlreiche Stückeschreiber und Dichter im Druck formell ihre Gönner in Widmungen anerkannten". Aber mutet es sie und ihre STB-Kollegen denn nicht befremdlich an, dass Shakespeare nie irgendeinem eines seiner Stücke gewidmet hat und nur einem einzigen Stück (Troilus and Cressida) ein Brief an die Leser vorangeht, der allerdings nicht von ihm selbst verfasst wurde? Warum sollte ein durch Gewinnstreben motivierter Dichter-Stückeschreiber, wie ihrer Meinung nach Shakespeare war, nachdem er zwei epische Gedichte dem Earl of Southampton gewidmet hatte, nie mehr einen Gönner gesucht haben? Man könnte hier die Hypothese aufstellen, dass es keines anderen Gönners bedurfte, aber das lässt sich nicht beweisen. Orthodoxe Shakespeare-Forscher sollten zugeben, dass sie nicht wirklich wissen, was sie gerne wüssten oder wahrhaben möchten.
- Michael Cecil, Baron Burghley, Marquess of Exeter