Frage 39

Was erfahren wir von Ben Jonson über Shakespeare?

[Gregory (Greg) Doran, Chief Associate Director of The Royal Shakespeare Company, Regisseur zahlreicher Shakespeare- und anderer zeitgenössischer Stücke, antwortet für den SBT]

Ben Jonson liebte Shakespeare bis zur Grenze der Verabgötterung und nannte ihn „Du, Stern der Dichter"; bekanntlich fügte er hinzu, dass Shakespeare „nicht für ein Zeitalter, sondern für alle Zeiten" sei.

Er fand für seinen Freund jedoch auch kritische Töne, indem er bemängelte, dass es Shakespeare an „Kunst" fehle und er dem Binnenstaat Böhmen eine Küste gegeben habe. Die Schauspieler, so Jonson, hätten ich dafür gerühmt, „nie eine Zeile durchgestrichen " zu haben, er selbst wünsche sich, er hätte „tausend Zeilen durchgestrichen". Und Jonson konnte sich  auch nicht einen Seitenhieb auf die dürftige klassische Bildung Shakespeare verkneifen, der wie er, Jonson, eine Grammar Scchool besucht hatte: „Und wenn Du auch wenig Latein und noch weniger Griechisch hattest".

Jonson war nicht der Mann, der ein Geheimnis hätte bewahren können. William Drummond berichtet von seinem Gespräch mit einem betrunkenen Jonson, kurz bevor dieser in der Nacht in einen Vollrausch hineindämmerte, während dessen ihn das Wahnbild befiel, Türken und Tataren würden eine Schlacht um seinen großen Zeh ausfechten: Jonson konnte ganz schön indiskret werden, Aber nirgendwo lässt sich bei Jonson, der von seinem Freund als „My gentle Shakespeare" sprich, den geringsten Hinweis finden, dieser Shakespeare könnte ein anderer gewesen sein als der „Sweet Swan of Avon".

Erwiderung:

Noch einmal: Ben Jonson war ein Meister der Zweideutigkeit und erwies sich als solcher in der ersten Folioausgabe. In seinem Lobgedicht auf Shakespeare findet sich der berühmte Satz „ And though thou hadst small Latin and less Greek". Der Satz wird meist verstanden als „Und obwohl du wenig Latein und noch weniger Griechisch hattest".. Aber gleich danach vergleicht er Shakespeare mit Aischylos, Sophokles und Euripides. Wenn er „wenig Griechisch" hatte, warum wird er dann mit den großen griechischen Tragödiendichtern verglichen? Vor diesem Hintergrund erscheint eine andere Deutung konsistenter: „And even if thou hadst small Latin and less Greek S" („Und selbst wenn du wenig Latein und noch weniger Griechisch gehabt hättest. In dieser Bedeutung begegnet uns der Ausdruck in Hamlet (I.2): „"I'll follow thee, though Hell itself should gape".(Übersetzung von A.W. Schlegel: „So red ichs an, gähnt auch die Hölle selbst"). Folglich legt auch Jonson den Schluss nahe, dass Shakespeare Latein und auch Griechisch konnte (dazu Französisch, Italienisch und Spanisch). Die ganze Einleitung zur Folioausgabe hindurch beweist Jonson seine Geschicklichkeit, mit zweierlei Zungen zu reden, bald über den Autor Shakespeare, bald über den Schauspieler Shakspere.

Ein weiteres Beispiel für Jonsons Doppelzüngigkeit. In seinem Lobgedicht auf den Verfasser „ The author, Mr. William Shakespeare", ist Jonson des Lobes voll für den Autor, den er mit Apollon, dem Gott des Lichts, und mit Merkur (Hermes), dem Boten der Götter, vergleicht, die beide als besonders redegewandt galten. Aber in der  einzigen zeitgenössischen Referenz auf Shakespeare, die man als biographisch auffassen kann (Timber: or Discoveries; Made upon Men and Matter, in Jonson's Workes, 1641, 97-8),  vergleicht Jonson Shakespeare mit dem römischen Redner Haterius, einem eher redseligen als redegewanten Mann, der dafür bekannt war, vom eigenen Redefluss fortgeschwemmt zu werden, so dass man ihn auffordern musste, endlich den Mund zu halten. Das ist nicht die gleiche Person wie diejenige, die in der ersten Folioausgabe gelobt wird.

Was Böhmen betrifft, war Shakespeare im Recht und Jonson im Unrecht. Es gab eine Zeit, in der sich das Königreich Böhmen bis an die Adria erstreckte.  In Pandosto spricht auch Robert Greene von der Küste Böhmens.

-  Peter Dawkins, M.A., Leiter des Francis Bacon Research Trust; und Kurator des Shakespearean Authorship Trust; Autor von The Shakespeare Enigma (Polair Publishing)

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